Allmählich zeigt es sich
- Letzte Woche haben sich die Märkte etwas beruhigt, aber man sollte die Hindernisse nicht unterschätzen, die einer Einigung in der Ukraine im Wege stehen.
- Erste Signale aus der Realwirtschaft verweisen auf eine spürbare Verschlechterung von Geschäfts- und Verbrauchervertrauen.
- Die Fed hat sich letzte Woche für eine Straffung entschieden, und Christine Lagarde legte auf der Pressekonferenz nach der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rates mehr Zurückhaltung an den Tag. Ein Grund dafür könnten fehlende Fortschritte bei einer gemeinsamen finanzpolitischen Reaktion sein.
In den letzten zwei Wochen hat der Druck an den Energie- und Aktienmärkten nachgelassen. Zurückzuführen ist diese Entspannung auf gute Nachrichten zu den Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Aber aus unserer Sicht gibt es auf dem Weg zu einer Einigung noch Hürden, die nicht zu unterschätzen sind. Eine Art von „Neutralität“ ist für die Ukraine akzeptabel, eine Entmilitarisierung vermutlich nicht. Außerdem fordert Kiew von anderen Ländern mehr Zugeständnisse als im Budapester Memorandum aus dem Jahr 1924 festgelegt wurden. Und schließlich würde Moskau wahrscheinlich fordern, dass die Sanktionen im Falle eines Waffenstillstandes oder eines echten Friedensvertrages aufgehoben würden. Der Westen wird dem schwerlich zustimmen. Ein „echter Vertrag“ wäre komplex und würde deutlich mehr Parteien betreffen als „nur“ Russland, die Ukraine und einen Vermittler. Unterdessen wird Moskau wohl seine Angriffe fortsetzen, um seine Position für weitere Verhandlungen zu stärken. Dies wiederum würde die humanitäre Krise weiter verschärfen, sodass der öffentliche Druck auf die westlichen Regierungen, weitere Sanktionen zu verhängen, zunähme. Das Ergebnis wären erneute Turbulenzen und volatile Marktphasen.
Die etwas bessere Marktstimmung steht im Gegensatz zu den ersten Signalen aus der Realwirtschaft, dass sich das Geschäfts- und Verbrauchervertrauen sogar in Ländern wie Frankreich verschlechtert, die recht gut gegen die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges geschützt sind. Noch befinden wir uns nicht in einer Rezession, aber das Verarbeitende Gewerbe hat bereits zu kämpfen. Wir befürchten einen „Peitscheneffekt“: Kaum, dass sich die übermäßigen Lagerbestände, die in Vorbereitung auf das Wiederanlaufen der Wirtschaft aufgebaut worden waren, allmählich normalisierten, stehen die Unternehmen vor einem erneuten Kostenschock und müssen auf eine möglicherweise niedrigere Nachfrage reagieren.
Bislang lässt sich die Fed von den Entwicklungen in der Ukraine nicht ablenken und verfolgt weiter das Ziel einer schnellen Normalisierung der Geldpolitik. Sie erhöhte nicht nur die Zinsen um 25 Basispunkte (nicht um die von Bullard geforderten 50). Auch ihr Statement und die Pressekonferenz von Powell klangen sehr nach einer weiteren Straffung. Dagegen war Christine Lagarde in ihrer letzten Rede eher zögerlicher als auf der letzten Pressekonferenz des EZB-Rates. Sie bestand weiter auf einer allmählichen Straffung ausschließlich auf Grundlage der Daten und räumte am Ende (wenn auch nicht mit klaren Worten) ein, dass ein neues Programm aufgelegt werden könnte, um der finanziellen Fragmentierung der EU entgegenzuwirken. Grund für diesen Standpunkt könnten die fehlenden Fortschritte bei einer gemeinsamen finanzpolitischen Antwort auf europäischer Ebene sein.
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