Das Ende vom Anfang?
- Wir gehen davon aus, dass die Fed und die EZB ihre Geldpolitik ab Dezember 2022 behutsamer straffen werden. Dennoch könnte sich die Marktstimmung eintrüben, wenn die Anleger realisieren, dass eine weniger starke Straffung nichts darüber aussagt, wie hoch die Zinsen am Ende sein werden. Bei volatilen Daten wird es also weiterhin immer wieder schwierige Phasen geben.
Das „Ende vom Anfang“ einer dauerhaften Straffung der Geldpolitik wird dann erreicht sein, wenn die Zentralbanken zwar restriktiver werden wollen, sich aber dagegen entscheiden, weil sie glauben, ein behutsameres Vorgehen wagen zu können. Unserer Einschätzung nach werden sowohl die Fed als auch die EZB auf ihren Dezembersitzungen weniger hohe Zinsanhebungen beschliessen, nachdem die EZB letzte Woche um 75 Basispunkte erhöht hat und die Fed dies vermutlich diese Woche tun wird. Dennoch besteht kein direkter Zusammenhang zwischen einer langsameren Straffung und der Feststellung, wie hoch der Leitzins am Ende sein muss, damit die Inflation wieder auf ihren angestrebten Wert von 2% zurückkehrt. Der „Endzins“ bleibt unbekannt. Lediglich die Gefahr einer Überhitzung ist jetzt geringer, sodass die Zentralbanken jetzt nach ihrer Aufholjagd eine Sondierungsstrategie verfolgen können.
Dadurch sinkt zwar das Risiko geldpolitischer Fehlentscheidungen – was zum Teil auch den jüngsten Optimismus der Marktteilnehmer erklärt –, aber wenn die Wirtschaft in den nächsten Monaten weiter stabil bleibt, könnte die Fed gezwungen sein, für 2023 eine Fed Funds Rate anzusteuern, die höher ist als die vom FOMC im Durchschnitt erwarteten 4,6%. Da wir für die USA eine recht starke Rezession erwarten, die zum Teil auf die anhaltende dramatische Verschlechterung der Finanzbedingungen zurückzuführen ist, rechnen wir mit einem etwas niedrigeren Endzins als die Mehrzahl der Marktteilnehmer. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Märkte in den kommenden Monaten immer dann unter Druck geraten werden, wenn sich die Konjunkturdaten nicht „schnell genug“ verschlechtert haben. Nebenbei bemerkt werden Investoren noch mehr konjunkturbedingte Rückschläge erleiden müssen, bevor für sie die Vorteile der lockeren Geldpolitik der Fed zum Tragen kommen. Im Euroraum könnte die unerwartet hohe Inflation im Oktober, die einen Tag nach der nicht einstimmigen Entscheidung des EZB-Rats herauskam, die EZB auf dem falschen Fuss erwischt haben. Es gibt nach wie vor gute Gründe für einen weiteren starken Inflationsrückgang im nächsten Jahr, der die Teuerung wieder näher an den Zielwert der Zentralbank bringt. Aber unabhängig von Anzahl und Ausmass der nächsten Zinsanhebungen (wir gehen von 50 Basispunkten im Dezember, gefolgt von 25 Basispunkten im Februar aus) erwarten wir, dass der Anleihenmarkt zunehmend sensibler auf die Aussicht einer quantitativen Straffung reagieren wird. Darüber wird im Dezember entschieden. Neben der Fed trifft sich diese Woche auch die Bank of England zum Zinsentscheid. Wir erwarten nach wie vor, dass eine Erhöhung um 75 Basispunkte ein guter Kompromiss ist – und die Märkte sind mittlerweile auch dieser Meinung.
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