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Marktansichten

Die Weltwirtschaft im Februar - Doch keine Wende


Im Überblick

  • Die Markterwartungen haben sich stark ver-ändert. Nach den soliden Konjunkturdaten rechnet man jetzt mit einer deutlich straffe-ren Geldpolitik.
  • Wir bleiben daher vorsichtig. Das Rezessi-onsrisiko ist zwar stark zurückgegangen, aber die verzögerten Wirkungen der straffe-ren Geldpolitik könnten sich in den nächsten Monaten in den Daten zeigen.
  • In den USA liegen die Gewinne je Aktie noch immer über dem Langfristtrend.
  • Im Technologie- und Energiesektor waren die Gewinne außerordentlich hoch.
  • Langfristige Investoren sollten sich von den Bewertungen nicht abschrecken lassen.

Die stabile Konjunktur könnte die Notenbanken irritieren, schrieben wir letzten Monat, und sie würde so gar nicht mehr zu den Zinserwartungen der Investoren passen. Sie rechneten nämlich noch immer mit einer „Wende“ zu einer lockereren Geldpolitik. Doch in den letzten Wochen haben die Anleger reagiert. Mittlerweile erwarten sie ein deutlich höheres Zinsmaximum in den USA und im Euroraum. Vor allem aber wird die Federal Funds Rate dem Terminmarkt zufolge in der zweiten Jahreshälfte eher nicht um 25 Basispunkte gesenkt. Viele Indikatoren hatten eine stabile oder sogar bessere Konjunktur signalisiert. Außerdem äußerten sich die Notenbanken betont scharf.

In den USA ist die Beschäftigung im Januar enorm gestiegen, und auch die Löhne haben nach dem jüngsten Arbeitsmarktbericht kräftig zugelegt. Auch andere Zahlen signalisieren Anfang 2023 eine starke US-Konjunktur. Der ISM-Dienstleistungsindex stieg im Januar auf beachtliche 55,2 und ist nach den 49,6 von Dezember wieder weit davon entfernt, eine Rezession anzuzeigen. Die Einzelhandelsumsätze waren unerwartet stark, die jüngsten Geschäftsklimaumfragen beruhigend. Der Empire-Industrieindex war wesentlich stabiler als der schwache ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe.

Die guten Zahlen hätten dem Goldilocks-Szenario Auftrieb geben können, gäbe es nicht zugleich Anzeichen für einen stockenden Inflationsrückgang. Die Verbraucherpreisinflation ist im Januar zwar erneut gefallen, allerdings nur auf 6,4% z.Vj. und damit weniger stark als erwartet. Im Dezember waren es 6,5%, und für den Januar hatte der Markt mit 6,2% gerechnet. Auch die Kernrate fiel weniger als erhofft; sie ging nur um 10 Basispunkte auf 5,6% zurück. Vor allem aber ist ihr 3-Monats-Durchschnitt wieder gestiegen, von 4,3% p.a. im Dezember auf 4,6%, und das trotz des erneut starken Rückgangs der Gebrauchtwagenpreise. Der Fed war zuletzt der Kern-Dienstleistungspreisindex (also ohne Wohnkosten) besonders wichtig: Er legt seit jetzt drei Monaten unverändert um 2,7% z.Vj. zu. Wir glauben, dass sich die Notenbank hier einen ordentlichen Rückgang wünscht, ist er doch ein wichtiger Indikator für die Binnenkonjunktur. Außerdem ist nicht viel Gutes in Sicht: Die Produzentenpreise sind wesentlich stärker gestiegen als erwartet.

Da überrascht es nicht, dass die Falken in der Fed wieder lauter werden – und zwar so sehr, dass schon wieder Zinserhöhungen um 50 Basispunkte denkbar scheinen. James Bullard und Loretta Mester ließen daran wenig Zweifel. Auch im Euroraum waren die Kon-junkturdaten gut. Vor allem hat sich im Februar der Einkaufsmanagerindex weiter erholt, sodass er jetzt wieder eine wachsende Wirtschaft anzeigt. Die bessere Stimmung im Dienstleistungssektor hat den anhaltenden Pessimismus im Verarbeitenden Gewerbe mehr als ausgeglichen. Da eine baldige Rezession im Euroraum immer unwahrscheinlicher wird und die Kerninflation noch immer nicht fallen will, melden sich auch in der EZB die Falken zu Wort und fordern mehr Entschlossenheit. Bundesbankpräsident Nagel meinte sogar, dass die Geldpolitik trotz Zinserhöhungen von 300 Basispunkten in den letzten zwölf Monaten noch immer nicht restriktiv sei. Den Tauben bleibt nichts anderes übrig, als vor „automatischen“ Zinserhöhungen zu warnen. Aber an der Richtung – einer weiteren Straffung – haben auch sie keinen Zweifel.

Kann sich die Konjunktur unter diesen Umständen weiter erholen? Es ist schwer zu sagen, wann die straffere Geldpolitik wirkt. Uns bleiben nur Präzedenzfälle. Der US-Arbeitsmarkt reagierte oft sehr langsam. Dreimal – 1988/89, 1994/95 und 1999–2001) verlang-samte sich der Beschäftigungszuwachs erst etwa ein Jahr nach Beginn der Zinserhöhungen. Dann wäre der Beschäftigungsboom nichts Besonderes. In den USA scheint es üblich, dass der Arbeitsmarkt erst etwa 12 bis 18 Monate später auf eine straffere Geld-politik reagiert. Im Euroraum fiel der sogenannte Kreditimpuls (die Veränderung der Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte ggü. dem Vorjahr) im Januar deutlich unter null, offensichtlich wegen der strengeren Kreditbedingungen. Da man am Markt jetzt mit mehr Zinserhöhungen rechnet, werden die Finanzbedingungen insgesamt straffer, nachdem sie im Dezember und Januar noch lockerer geworden waren. All das kann für die Realwirtschaft nicht gut sein.

Die Konjunktur war zu Jahresbeginn stabiler als befürchtet. Dennoch hüten wir uns vor übertriebenem Optimismus für dieses Jahr.

Und die Unternehmensgewinne?

Es dauerte also meist lange, bis eine straffere Geldpolitik das Wirtschaftswachstum bremste, die Arbeitslosigkeit zumindest etwas stieg und der Inflationsdruck nachließ. Trotz der jüngsten Zahlen könnte der Konjunkturausblick für die USA und Europa daher zu optimistisch sein. Die Aussichten für Aktien bleiben dann unsicher. Letztes Jahr sind die Kurse wegen der steigenden Zinsen stark gefallen. Seit Oktober legten sie aber kräftig zu, obwohl nicht mehr so hohe Unternehmensgewinne erwartet werden. Da man am Anleihenmarkt weitere Zinserhöhungen nicht mehr ausschließt und frühestens nächstes Jahr mit Senkungen rechnet, könnte ein wichtiger Grund für den Aktienoptimismus bald wegfallen. Die Notenbanken werden den Märkten erst einmal nicht helfen. Anhaltend hohe Leitzinsen schaden den Kursen, vor allem, wenn die Unternehmensgewinne weiter enttäuschen.

Am größten ist das Risiko fallender Bewertungen in den USA. US-Aktien sind teuer, zumindest im Vergleich zu anderen Märkten. Im Mittel erwarten die Analysten sowohl für den S&P 500 als auch für den EuroStoxx in den nächsten zwölf Monaten etwa 3% Ge-winnwachstum. Das passt nicht zu einer tiefen Rezession, wohl aber zu einer schwächeren Weltkonjunktur. Allerdings beträgt das KGV auf Basis der erwarteten 12-Monats-Gewinne in den USA noch immer 18,3 – gegenüber 12,7 in Europa.

Noch immer liegen die Gewinne in den USA deutlich über dem Langfristtrend. In der Coronazeit profitierte der US-Markt von den ungewöhnlich hohen Erträgen der Technologieunternehmen, großen Gewinnern des Homeoffice-Booms. Der IT-Sektor des S&P 500 Index verzeichnete von Ende 2019 bis Ende 2021 46% Gewinnwachstum, der Gesamtindex aber nur 26%. Anschließend be-scherten die steigenden Öl- und Gaspreise dem Energiesektor ein kräftiges Gewinnplus, was den Gesamtindex ebenfalls stabilisierte.

In den übrigen Sektoren passte die Gewinnentwicklung besser zur Konjunktur. Im Konsumgebrauchsgütersektor gingen die Gewinne sogar zurück, weil die realen Haushaltseinkommen fallen und die Erholung der Industrie von den Pandemiefolgen allmählich zu Ende geht.

Mehr als anderswo war Corona für den US-Markt ein Einschnitt; Gewinne und Bewertungen entwickeln sich seit der Pandemie anders. Gewinnerwartungen und Bewertungen sind zwar gefallen, aber die Gewinne müssten noch sehr viel stärker zurückgehen, damit der alte Trend wieder gilt. Auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt in den USA noch immer deutlich über dem Vor-Corona-Durchschnitt.

Wenig spricht dafür, dass Gewinne und Bewertungen wieder auf ihren Vergangenheitsdurchschnitt fallen. Theoretisch müsste der S&P 500 Index dann um etwa 30% nachgeben, was wohl nur bei noch höheren Zinsen mit einer tiefen Rezession möglich wäre. Stattdessen rechnen wir mit einer recht volatilen Seitwärtsbewegung. Im Technologiesektor sehen wir bereits Anzeichen für eine Korrektur; die Unternehmen berichten über ein schwieriges Geschäftsumfeld und bauen erste Stellen ab. Für die nächsten zwölf Monate erwarten die Analysten im IT-Sektor nur 4,6% Gewinnwachstum. Der Ausblick für den Energiesektor hängt vom Weltmarkt für Öl und Gas ab. Konsens ist, dass die Gewinne fallen, aber entscheidend bleiben die Energiepreisentwicklung und die Auswirkungen des Neustarts in China.

Weil Technologie- und Energiewerte in den USA einen deutlich größeren Teil des Aktienindex ausmachen als in Europa, haben sich die amerikanischen Unternehmensgewinne stärker vom Langfristtrend entfernt. Der Bewertungsunterschied zwischen den USA und Europa bleibt groß. Weil Wachstumsaktien im S&P 500 stärker vertreten sind, dürfte das Kurs-Gewinn-Verhältnis hier zwar langfristig höher bleiben, doch könnten die Gewinnerwartungen in den nächsten zwölf Monaten weiter fallen. Mindererträge in den USA gegenüber Europa wären die Folge.

Investoren können dem aber entgegenwirken, etwa indem sie sich bei ihren Aktienanlagen nicht an der Marktkapitalisierung orientieren. Das würde vor fallenden Bewertungen und niedrigeren Gewinnen im Technologiesektor schützen. In den letzten zwölf Mo-naten hat der gleichgewichtete S&P-500-Performanceindex 1,17% verloren, der kapitalisierungsgewichtete aber 5,3% (Stand 17. Februar) – und seit Jahresbeginn liegt der gleichgewichtete Index ebenfalls vorn, wenn auch nur knapp. Letztes Jahr war der Performancevorsprung von Substanz- gegenüber Wachstumswerten also noch größer.

Langfristiges Wachstum

Wer auf Wachstum setzt, muss langfristig denken. Die Geschichte zeigt uns, dass man mit den Unternehmen und Sektoren, deren Gewinne am stärksten steigen, auf Dauer am meisten verdient. In den USA lagen die Sektoren mit dem höchsten Langfristwachstum vorn, etwa Informationstechnologie, Biotechnologie und Konsumgebrauchsgüter. Die Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz und anderen Technologien lassen hier auch weiterhin hohes Wachstum erwarten. Andere Wachstumstitel dürften wiederum von höheren Investitionen in Automatisierung und anderen Bereichen profitieren, die die US-Regierung mit ihrem Inflation Reduction Act besonders fördern will.

Nach den Kursverlusten im letzten Jahr ist das Einstiegsniveau jetzt attraktiver, vor allem bei einem mehrjährigen Anlagehorizont. Die Unternehmensanleiherenditen sind im Verhältnis zum Kreditrisiko so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Die Spreads von Investmentgrade- und High-Yield-Titeln sprechen auf 3- bis 5-Jahres-Sicht für Mehrertrag. Ähnliches gilt für Aktien. Bei den derzeitigen Kurs-Gewinn-Verhältnissen sind auch hier auf Sicht von drei bis fünf Jahren Erträge zu erwarten. Selbst in den USA hat man bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis wie heute oder etwas darunter auf 5-Jahres-Sicht meist verdient. Sicher, die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für die Zukunft. Wer aber mit weiterem Wirtschaftswachstum rechnet, sollte vielleicht in wachstumsstarke Unternehmen investieren.

Zugehörige Dokumente

Vollständiges Monatsbriefing - Februar 2023
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Vollständiger Bericht über unsere monatliche globale Strategie für Februar (EN)
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