Wie man das Greenium misst
Obgleich das Jahr für Anleihen alles andere als einfach war, wurden so viele grüne Anleihen (Green Bonds) emittiert wie im Rekordjahr 2021. Bis Ende Juni kamen 2022 bisher für 207 Milliarden US-Dollar1 Green Bonds an den Markt, etwas mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. 75 Emittenten2 begaben in diesem Jahr erstmals eine grüne Anleihe, und es ist zu erwarten, dass viele weitere folgen werden, weil jetzt in allen Sektoren aktiv in die Entwicklung hin zu einer CO2-armen Wirtschaft investiert wird. Um sich an diesem florierenden Markt zu engagieren, müssen Investoren auf den „Greenium-Effekt“ achten und auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren und Ländern.
Mit seiner ersten Green-Bond-Emission im Mai nahm Österreich 4 Milliarden Euro auf und erhielt Zeichnungsanträge für 25 Milliarden Euro3 . Aufgrund der enormen Nachfrage war die Rendite am Ende etwas (um circa 2,5 Basispunkte) niedriger als die der bereits bestehenden traditionellen Anleihe. Dieser Aufschlag, bekannt als Greenium, ist ein seit einiger Zeit immer stärker werdender Trend, der zeigt, wie weit Angebot und Nachfrage auseinanderliegen. Wichtig ist aber auch, dass die Höhe des Greenium variieren und sich im Zeitablauf ändern kann. Vor allem am Primärmarkt haben wir beobachtet, dass das Greenium steigt, wenn das Emissionsvolumen sinkt, wie es häufig im Sommer oder am Jahresende der Fall ist.
Noch in diesem Jahr dürfte Deutschland eine grüne Anleihe an den Markt bringen. Als das Land im September 2020 seinen ersten Green Bond begab, emittierte es zeitgleich eine laufzeitgleiche traditionelle Anleihe. Dies gab uns erstmals die Möglichkeit eines direkten Preisvergleichs. Zum Zeitpunkt der Emission war die grüne Anleihe 1 Basispunkt teurer als das traditionelle Papier. Interessanterweise ist dieses Greenium im Laufe der Zeit auf bis zu 7 Basispunkte gestiegen und ging dann auf heute unter 2 Basispunkte zurück. Wir betrachten dies als eine Folge der insgesamt nachlassenden Anleihennachfrage in diesem Jahr. Davon waren auch grüne Anleihen betroffen, zumal das Angebot im Vergleich zum letzten Jahr nicht zurückgegangen ist.
Nur wenige Märkte ermöglichen einen solchen direkten Vergleich, aber nach Analysen aller Segmente des Marktes für Green Bonds haben wir den theoretischen Aufschlag einer grünen gegenüber einer vergleichbaren traditionellen Anleihe berechnet. Am Markt für Euro-Green-Bonds, der besonders umfassend und vergleichsweise wenig verzerrt ist, gibt es eindeutig ein Greenium, allerdings weder systematisch noch überall gleich. Die aktuelle Höhe des Greenium schätzen wir auf etwa 6 Basispunkte (mit Abweichungen). Das Greenium von Staatsanleihen liegt bei etwa 10 Basispunkten, das für Unternehmensanleihen bei ungefähr 7, und bei Quasi-Staatsanleihen beträgt es etwa 3 Basispunkte.
Sektorspezifische Chancen
Im Unternehmensanleihenbereich gibt es erhebliche Sektorunterschiede, abhängig von der Anzahl der grünen Anleihen und der Emittenten. Aber immer gilt: Die Nachfrage bestimmt die Höhe des Greenium. So beträgt es beispielsweise im Immobiliensektor, wo in den letzten Jahren viele Green Bonds begeben wurden und die Investoren viele Alternativen haben, wenn ihnen eine Emission zu teuer erscheint, nur etwa 2 Basispunkte. Im Automobilsektor dagegen, wo das Angebot kleiner ist, werden etwa 15 Basispunkte Aufschlag fällig.
Greenium von Euro-Unternehmensanleihen (Bp.)
Quellen: AXA IM, Bloomberg, Stand 1. Juli 2022. Auf Grundlage des selbst entwickelten Greenium-Bewertungsmodells von AXA IM, unter Betrachtung des gesamten internationalen Anleihenmarktes. Nur zur Illustration.
Interessant ist auch, dass das Greenium davon abhängen kann, wie regelmäßig ein Emittent grüne Unternehmensanleihen begibt. Der Green Bond eines Emittenten, der längere Zeit keine Anleihen an dem Markt gebracht hat, könnte vergleichsweise knapp und am Sekundärmarkt nahezu alternativlos sein, sodass dafür ein höheres Greenium verlangt werden kann. Bei den Papieren eines regelmäßigen Emittenten ist das anders. Das Greenium seiner grünen Anleihen könnte wegen der größeren Ausgewogenheit zwischen Angebot und Nachfrage zurückgehen. Fest steht: Je mehr Green Bonds ein Emittent begibt, desto niedriger das Greenium.
Hinzu kommt, dass wir durch die Marktturbulenzen seit Jahresanfang mehr über die Dynamik des Green-Bond-Marktes gelernt haben, darunter einiges, das uns bereits in früheren Phasen mit hoher Risikoaversion aufgefallen ist. Wenn die Spreads weiter werden, steigt das Greenium in der Regel und bietet damit einen Puffer gegen die allgemeine Spreadausweitung. Deshalb hat das durchschnittliche Greenium grüner Euro-Unternehmensanleihen von 3 Basispunkten im Dezember 2021 auf zuletzt 6 Basispunkte zugelegt. Dies zeigt, dass Green-Bond-Investoren langfristiger anlegen als Gläubiger traditioneller Anleihen und ihre Papiere auch in volatilen Marktphasen nicht abstoßen.
Das Greenium wird bleiben
Möglicherweise ärgern sich einige Investoren darüber, dass sie einen kleinen Aufschlag zahlen müssen, aber sie sollten nicht vergessen, dass sie langfristig einen höheren risikobereinigten Ertrag erzielen dürften. Wenn die Emittenten sich zu niedrigeren Kosten finanzieren können, investieren sie möglicherweise mehr in die Entwicklung zu einer CO2-armen Wirtschaft und dürften deshalb besser in der Lage sein, die Risiken und Chancen zu nutzen, die sich durch den Wandel ergeben.
Für Investoren ist das Greenium allerdings ein weiterer Grund, sich für einen aktiven und dynamischen Ansatz zu entscheiden. Wie an allen Anleihenmärkten wollen auch Green-Bond-Anleger teure Emissionen meiden und mit Papieren zusätzliche Erträge erzielen, deren Wert (oder Greenium) nach dem Kauf steigt. Grüne Anleihen bieten Investoren die Möglichkeit, einen Beitrag zur Finanzierung der Energiewende und zu einer besseren Umwelt zu leisten. Ein aktives Management stellt sicher, dass sie dies auf effiziente Weise tun und dabei den größtmöglichen Ertrag erzielen können.
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