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Die Märkte haben die Talsohle noch nicht erreicht


  • In den vergangenen 20 Jahren sind die Verbraucherpreise in den USA im Durchschnitt um 0,2 Prozent pro Monat gestiegen. Dabei lag der Anstieg zu 94 Prozent der Zeit unter 0,6 Prozent.
  • In diesem Januar kletterte der Verbraucherpreisindex um 0,6 Prozent. Bei einem solchen monatlichen Anstieg würde die jährliche Inflationsrate für den Rest des Jahres bei über sieben Prozent liegen, was aggressivere Zinserhöhungen und eine frühere nächste Rezession bedeuten würde.
  • Bewegt sich der monatliche Anstieg zwischen 0,6 bis 0,4 Prozent, sinkt die jährliche Inflation zwar, aber nicht so stark wie bisher erhofft.
  • Das Risiko einer Korrektur an den US-Aktienmärkten um 20 Prozent und das Erreichen einer Rendite von mindestens 2,5 Prozent bei zehnjährigen US-Staatsanleihen ist somit durchaus gegeben.

Preissorgen

Die Inflation ist weiterhin höher als von allen erwartet. Folglich müssen höhere Zinsen eingepreist werden. Das kann sich negativ auf den wirtschaftlichen Ausblick und auf risikobehaftete Anlagen auswirken. Die Anleger sind gegenüber den Anleihemärkten skeptisch, weil die Renditen und – jetzt auch die Credit-Spreads – steigen, was zu negativen Erträgen führt. Und sie sind gegenüber den Aktienmärkten skeptisch, weil die Bewertungen immer noch höher sind als vor der Pandemie. Das Schwierigste für die Anleger ist es, zu beurteilen, wann sie die negative Stimmung überwinden, eine konträre Sicht einnehmen und kaufen sollen. Das wird noch eine Weile dauern.

Inflationshöchststand? Noch nicht!

Was könnte eine positivere Einschätzung der Märkte auslösen? Der wichtigste Auslöser wäre es, wenn die Inflation ihren Höhepunkt erreicht. Der Anstieg des US-Verbraucherpreisindex (VPI) um 7,5 Prozent im Januar könnte dies sein – vielleicht aber auch nicht. Die Einzelheiten des Berichts zeigen einen anhaltenden Inflationsdruck in Bereichen wie Mietpreisen, die in absehbarer Zeit keine Trendwende erleben werden. Wie einleitend erwähnt, ist ein monatlicher Inflationsanstieg von 0,6 Prozent eher ungewöhnlich. Es ist deshalb eher anzunehmen, dass wir eine gewisse Entspannung erleben werden, die eine Abschwächung der jährlichen Inflationsrate bedeutet. Kurzfristig ist das jedoch eher Hoffnung als Erwartung. Und was für die USA gilt, gilt wohl auch für Europa und andere Länder.    

Niedrigere Energiepreise

Der zweite Auslöser, der mit dem ersten zusammenhängt, ist, dass die Energiepreise ebenfalls sinken müssen. Obwohl die Rohölpreise seit dem jüngsten Höchststand etwas zurückgegangen sind, ist dies noch nicht überzeugend. Das Gleiche gilt für die Erdgaspreise. Sollte der Ölpreis in den Bereich von 70 bis 80 Dollar pro Barrel fallen, würde dies beim Vergleich mit dem Vorjahr helfen. Jedoch sind negative Auswirkungen der Energiepreise auf die Inflationszahlen insgesamt für längere Zeit nicht wahrscheinlich.

Geldpolitik

Der dritte Auslöser wäre mehr Klarheit bezüglich des Zinsausblicks der Federal Reserve (Fed) und anderer Notenbanken. Doch die Inflationsdaten vom Januar haben den Ausblick verwässert. Einige Beobachter sprechen von einer Zinserhöhung der Fed um 50 Basispunkte im März und die Märkte erwarten nun, dass die Fed Fund Rate im kommenden Jahr auf über zwei Prozent steigt. Mit sieben eingepreisten Erhöhungen bis zum kommenden Jahr ähnelt der erwartete Zinserhöhungszyklus sehr viel mehr dem Zyklus von 2004 bis 2006 als dem von 2015 bis 2018. Zwischen 2004 bis 2006 hat die Fed 16 Zinsschritte vorgenommen und die finanziellen Bedingungen so stark verengt, dass es zur globalen Finanzkrise kam. Wenn die Fed bei Schritten von 25 Basispunkten bleibt und in den kommenden Monaten auf eine gewisse Abmilderung bei der Inflationsrate hinweisen kann, können wir optimistischer sein. Wenn man aber ehrlich ist, haben die Märkte die Talsohle noch eine Zeit lang nicht erreicht. Die Stimmung ist schlecht und die Anleger brauchen Klarheit über die Entwicklung der Inflation, der Energiepreise und der Zinsen. Anders als noch vor einigen Wochen schlägt die Stimmung in Richtung einer zu starken Straffung und eines früheren Endes der Expansion um.

Negative Mindesterwartung

Die Anleger wünschen sich, basierend auf der Sichtweise, dass die Fed tatsächlich weniger tun muss als derzeit eingepreist ist, positivere Aussichten. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BoE) haben ihre restriktive Haltung etwas zurückgenommen, aber die Inflation ist nicht so hoch und die Arbeitsmärkte sind nicht so angespannt wie in den USA. Daher ist eine gewisse negative Mindesterwartung nach wie vor notwendig. Wir haben unsere mehrfach dargelegt – US-Treasury-Rendite bei 2,5 Prozent, die Bund-Rendite in Richtung 50 bis 75 Basispunkte, Ausweitung der Credit-Spreads um weitere 50 bis 100 Basispunkte und eine weitere Herabstufung der Aktienmärkte, insbesondere in den USA. Tritt all dies ein, werden sich die risikoadjustierten Renditen daraufhin deutlich verbessern. Aber bis es so weit ist, haben wir noch eine lange und schwierige Zeit vor uns.

Eine gewisse Abwärtsdynamik

Wir wissen, dass die Fed umschwenken kann, wenn sich die Wachstumsdaten ernsthaft verschlechtern. Im Moment ist die Wirtschaft zu heiß gelaufen. Außerdem ist sich die Fed im Grunde darüber im Klaren, dass die Inflation größtenteils auf angebotsseitige Probleme zurückzuführen ist, die sich allmählich abschwächen. Für Aktienanleger war die Gewinnsaison im vierten Quartal relativ positiv, da die Berichte im Großen und Ganzen die Erwartungen übertrafen und das Wachstum der Gewinne pro Aktie (EPS) bei über 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr lag. Natürlich ist es wichtig, wie sich die Erträge künftig entwickeln. Der Bottom-up-Konsens der EPS-Prognosen sowohl für den US- als auch für den europäischen Markt hat begonnen, sich etwas zu verschlechtern. Die Gewinnrevisionen sind weniger positiv und das Gleichgewicht zwischen Auf- und Abwärtsrevisionen der EPS-Erwartungen ist tendenziell ein guter Indikator für die Wertentwicklung. Derzeit sieht es so aus, als ob diese Revisionen kurz vor dem Eintritt in den negativen Bereich stehen. Und das stimmt mit den rollierenden Sechs-Monats-Renditen der Aktienmärkte überein, die ebenfalls ins Negative drehen. Typische tiefe Korrekturen weisen in der Regel einen Rückgang der Marktbewertungen um 20 Prozent auf, aber nicht alle Zyklen sind gleich. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) der Märkte sind bereits von ihren Höchstständen während der Pandemie gesunken. Und sie werden wohl weiter sinken, wobei wir Niveaus unter 4.000 beim S&P und unter 13.000 beim Nasdaq nicht ausschließen können. Dies sind die Märkte, deren Bewertung mehr als eine Standardabweichung über ihrem langfristigen Durchschnitt liegt. 

Mittelfristig optimistisch

Geht man nicht davon aus, dass alle positiven Auswirkungen der kumulierten quantitativen Lockerung (QE) des vergangenen Jahrzehnts in diesem und dem nächsten Jahr rückgängig gemacht werden, dann sind mittelfristig für die meisten Anlageklassen positive Renditen zu erwarten. Positive nominale – geschweige denn reale – Renditen scheinen derzeit noch in weiter Ferne zu liegen. Aber sie werden kommen, auch wenn sie vielleicht niedriger ausfallen als in den meisten Jahren der QE-Ära. Die Märkte steigen im Laufe der Zeit, weil die Renditen vom Wirtschaftswachstum angetrieben werden. Was Anleihen betrifft, sind zwei Jahre in Folge mit negativen Renditen äußerst ungewöhnlich. Die Duration ist ein recht selbstkorrigierender Risikofaktor (wenn die realen Renditen zu hoch steigen, schwächt sich das Wirtschaftswachstum ab und die Renditen fallen wieder). Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gesamtinflation in den USA über einen längeren Zeitraum über sieben Prozent und die Kerninflation über sechs Prozent liegt, ist unserer Ansicht nach gering. Doch die Fed muss handeln, und sie könnte aus Gründen der Glaubwürdigkeit anfangs aggressiv vorgehen. Der Frühling dürfte Hoffnung mit sich bringen, aber der Winter könnte dieses Mal länger dauern.

 

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