Warum biotechnologische Innovationen für Investoren so spannend sind
In den letzten 20 Jahren war der Biotechnologiesektor enorm innovativ und wachstumsstark. Das führte zu zahllosen spannenden Anlagemöglichkeiten. Wir gehen davon aus, dass die Branche auch 2022 und danach stark wachsen wird.
Seit 2000 hat der Sektor enorme Fortschritte gemacht. Aus einer Handvoll Unternehmen wurde ein großes Anlageuniversum. Neben bekannten, wirtschaftlich erfolgreichen Konzernen gibt es kleinere Firmen mit Spitzenforschung.
Zwei Jahrzehnte voller Innovation und Fortschritt
Besondere Aufmerksamkeit erhielt Biotechnologie durch Corona. In nur einem Jahr wurden mehrere COVID-19-Impfstoffe entwickelt – in einem Tempo, das bis dahin undenkbar schien. Die erfolgreiche Zusammenarbeit und die schnellen Ergebnisse zeigen, was der Sektor leisten kann. Firmen wie Pfizer und AstraZeneca waren schon vor Corona etabliert. Jetzt sind auch die Impfstoffentwickler Moderna und BioNTech nicht mehr allein Investoren bekannt. Ein weiterer großer Gewinner ist Gilead Sciences, das erste Unternehmen mit erfolgreichen klinischen Tests einer COVID-19-Behandlung mit dem Wirkstoff Remdesivir (Markenname Veklury).
Schon vor der Pandemie waren diese Unternehmen für ihre Innovationen bekannt. Gilead ist bereits seit über zehn Jahren führend in der Entwicklung von HIV-Medikamenten. Zwar ist AIDS noch immer nicht heilbar, doch ermöglichen mittlerweile viele Behandlungskonzepte Infizierten ein langes und gesundes Leben. Auch die Behandlung von Hepatitis C – wegen der fortschreitenden Leberzerstörung als eine Art „schleichender Tod“ bezeichnet – wurde in den letzten zehn Jahren revolutioniert. Heute gibt es Medikamente, die innerhalb weniger Wochen Heilung versprechen.
Große Fortschritte gab es auch in der Krebstherapie. Vermutlich versteht keine Disziplin besser als die Onkologie, wie Genmutationen krank machen können und wie gezielte Therapien dagegen helfen können. So hat sich die Fünfjahres-Überlebensrate bei chronischer myeloischer Leukämie in den USA mehr als verdoppelt, von 31% bei Diagnosestellung in den Jahren 1990 bis 1992 auf 70% in den Jahren 2009 bis 2015. Ein Grund dafür waren neue, zielgerichtete Therapien1 .
In den 21 Jahren seit Auflegung unserer Biotechnologiestrategie wurde auch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms abgeschlossen (Human Genome Project). Bis 2003 ist die gesamte menschliche DNA sequenziert worden, was wesentlich zu den jüngsten Fortschritten der Gentherapie beigetragen hat. Genome Editing und neue Diagnoseverfahren wurden entwickelt. Kurzfristig wird vielleicht auch eine Flüssigbiopsie bei Krebs möglich sein, sodass mittels Biomarkern im Blut die Malignität bestimmt werden kann. Neu ist auch die Immunonkologie. Sie nutzt das körpereigene Immunsystem, um Krebs zu verhindern und zu behandeln. Schon bald dürfte daraus eine der weltweit wichtigsten Medikamentenklassen entstehen.
Ein größeres Anlageuniversum
In den letzten zehn Jahren ist das Biotechnologieuniversum deutlich gewachsen. Der Sektor emittiert nicht nur Aktien, sondern wirbt auch Private Capital ein. Universitäten investieren ebenso wie andere Institutionen. Neugründungen werden staatlich gefördert.
Für Biotechnologieinvestoren ist das eine spannende Zeit. In den letzten fünf Jahren haben mehrere kleine Unternehmen ihre ersten Produkte an den Markt gebracht. Sie werden allmählich rentabel und entwickeln weitere neue Medikamente.
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Die Haltung der Aufsichtsbehörden
Entscheidend für die Medikamentenentwicklung sind die weltweiten Beziehungen zwischen Biotechnologieunternehmen und Aufsichtsbehörden. Sie können großen Einfluss darauf haben, wie Investoren den Sektor einschätzen.
Früher war die Zusammenarbeit von Pharmasektor und Regulierern – vor allem mit der amerikanischen Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA – nicht immer gut. Mittlerweile dürften aber ordentliche Arbeitsbeziehungen bestehen. Dafür spricht, dass immer mehr neue Medikamente zugelassen werden.
Wir gehen davon aus, dass auch weiterhin so viele neue Medikamente zugelassen werden wie jetzt. Schließlich steht viel Geld für die Grundlagenforschung bereit. Außerdem wurden viele neue Unternehmen gegründet, und es gab große Fortschritte etwa in der Gensequenzierung und der Künstlichen Intelligenz (KI).
Anhaltend gute Fundamentaldaten
2020 war ein extrem gutes Jahr für Biotechnologie, nicht zuletzt wegen der Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen und ‑Medikamenten. Der Sektor gewann in nur einem Jahr 26,4% an Wert. 2021 bewegte sich der Markt trotz der Gewinne im Sommer aber insgesamt seitwärts1 .
Offensichtlich haben viele Investoren nach der sehr guten Performance Gewinne realisiert und in Aktien umgeschichtet, die vom Neustart der Weltwirtschaft nach dem Lockdown profitierten. Das Momentum spricht also nicht mehr für Biotech, aber die Fundamentaldaten haben nicht nachgelassen. Die Cashflows bleiben hoch, und es werden weiterhin interessante Produkte entwickelt. Außerdem gab es in den letzten Monaten eine Reihe spannender Fusionen und Übernahmen. Pfizer gab den Kauf von Arena Pharmaceuticals bekannt, was seine Position bei Autoimmunerkrankungen stärkt. Die belgische UCB-Gruppe übernimmt gerade das US-Unternehmen Zogenix und stärkt damit seine Marktposition im Bereich Epilepsie2 .
Unterdessen hat sich Novartis von seinem Anteil an Roche getrennt, und GlaxoSmithKline und Pfizer dürften noch in diesem Jahr ihr Joint Venture für nicht verschreibungspflichtige Medikamente an die Börse bringen. Dadurch erhalten die Unternehmen neues Kapital für künftige Übernahmen. Vielleicht werden die Unternehmen heute auch besser geführt: Sie wollen zunächst die biologischen Grundlagen einer Krankheit verstehen, bevor sie neue Behandlungsverfahren entwickeln. So können sie sicher sein, dass eine Krankheit eine wirklich neue Therapie erfordert und nicht nur eine Neuauflage von Bekanntem.
Die nächsten Schritte
Wichtig ist auch die Konjunktur, vielleicht mehr denn je. Ein Großteil des Biotechnologiesektors wird nach der DCF-Methode bewertet, also anhand der abgezinsten Cashflows, wobei vielversprechende, aber noch unerprobte Neuprodukte die Bewertung komplexer machen. Eine steigende Inflation könnte der Wertentwicklung von Biotechnologieaktien daher kurzfristig schaden und zu Kursvolatilität führen. Leitzinserhöhungen, die von den großen Notenbanken bald zu erwarten sind, sind ebenfalls ungünstig für Wachstumsaktien.
Die Spannungen zwischen den USA und China dürften weiter zunehmen. Die Kurse chinesischer Unternehmen, die über American Depositary Receipts (ADRs) in den USA notiert sind, könnten unter dem Risiko leiden, dass sie von der Börse genommen werden. Dennoch kommt man wegen der staatlichen Hilfen, der Modernisierung der Regulierungsvorschriften, der Demografie, der wachsenden Nachfrage nach innovativen Therapien und der boomenden Finanzmärkte nicht an chinesischen Biotechnologiewerten vorbei.
Wir rechnen mit einer engeren Zusammenarbeit zwischen chinesischen Biotechnologiefirmen und westlichen Pharmakonzernen, die weltweit ihre Forschungs- und Produktionskapazitäten ausbauen. Wenn die amerikanische Arzneimittelaufsicht dieses Jahr über die Genehmigung einer Reihe von Produkten chinesischer Biotechnologieunternehmen entscheidet, gibt das für Firmen mit weltweiten Ambitionen die Richtung vor. Die zukünftige Medikamentenentwicklung wird maßgeblich davon abhängen.
Die USA bleiben der größte Gesundheitsmarkt, sodass die US-Politik große Auswirkungen auf die Marktstimmung hat. Wir werden die Zwischenwahlen in diesem Jahr genau beobachten. Wenn die Republikaner den Senat übernehmen, werden größere Gesetzesänderungen sehr viel unwahrscheinlicher. Für den Biotechnologiesektor wäre das gut. Gewinnen aber die Demokraten eine klare Mehrheit im Kongress, kann Biden mehr Reformen durchsetzen, auch eine Reform der Medikamentenpreise.
Was bringt die Zukunft?
Alles in allem rechnen wir weiter mit hohen Investitionen in innovative Biotechnologiefirmen. Dieses Jahr dürften Roche und Biogen/Eisai die Daten der Phase-III-Tests für ihre Alzheimer-Medikamente vorlegen, was wohl große Auswirkungen auf die Marktstimmung haben wird3 . Außerdem rechnen wir mit neuen Entwicklungen bei gezielten Behandlungen etwa für Parkinson, Epilepsie und selbst Depressionen. Genome Editing und Gentherapie bleiben interessant. Auch ist mit weiteren Fortschritten in der Onkologie zu rechnen. So wird Roche wichtige Daten für eine Lungenkrebstherapie vorlegen4 .
Auch wächst das Interesse an seltenen Krankheiten. Daraus kann der Bedarf nach einer besseren medizinischen Versorgung für Kinder entstehen, einschließlich einer frühzeitigen Untersuchung auf Gendefekte. So können schneller die richtigen Diagnosen gestellt und Kinder zum bestmöglichen Zeitpunkt behandelt werden. Auf der anderen Seite sorgt aber auch die Alterung der Bevölkerung für langfristigen Fortschritt des Biotechnologiesektors. Da wir länger leben, brauchen wir mehr Therapien für chronische Zivilisationskrankheiten und die Gebrechen des Alters.
COVID-19 hat den Biotechnologiesektor maßgeblich verändert, nicht nur durch die schnelle Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen. Der bisweilen ungleiche Zugang zu Medizin, die engere Zusammenarbeit der Stakeholder, die wachsende Effizienz und digitale Geschäftsmodelle – all das dürfte bleiben. Wegen COVID-19 denken wir jetzt langfristiger. Unsere Gesundheitssysteme müssen auf das neue Umfeld reagieren. Wir haben in die Unternehmen investiert, denen wir die besten Langfristaussichten zutrauen.
Wegen des günstigen Regulierungsumfelds und der demografischen Entwicklung, aber auch wegen der besseren medizinischen Versorgung und der wirtschaftlichen Chancen trauen wir dem Biotechnologiesektor 2022 und danach noch eine Menge zu.
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