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Rezessionsrisiken absichern


Der Renditeabstand zwischen dem Unternehmensanleihenindex und Tagesgeld ist eng wie nie. In den letzten Monaten sind die Zinsen gestiegen und die Credit Spreads gefallen, wobei die Mini-Bankenkrise im März eine hervorragende Kaufgelegenheit war. Kommt es zu einer weichen Landung ohne grössere Schwierigkeiten im Unternehmenssektor, könnte die Fed durchaus noch länger an ihren hohen Leitzinsen festhalten. Der Renditeabstand würde dann sehr klein bleiben. Eine harte Landung ist aber keineswegs auszuschliessen. Wenn die Konjunkturdaten nachgeben und sich insbesondere der amerikanische Arbeitsmarkt abkühlt, dürften die Risikoprämien steigen und die Zinserwartungen für 2024 fallen. Darauf – und auf das dann schwierigere Cashflow- und Finanzmanagement der Unternehmen – kann man sein Portfolio durchaus vorbereiten.

Kluges Management

In den letzten Monaten wurde „Widerstandsfähigkeit“ zum geflügelten Wort, vor allem im Zusammenhang mit der überraschend stabilen US-Konjunktur. Gemeint ist, dass Haushalte und Unternehmen Konsum und Investitionen nur wenig verringert haben. Dabei gab es heftigen Gegenwind – steigende Energie- und Lebensmittelpreise, höhere Lebenshaltungskosten, steigende Zinsen, und all das nur kurz nach der Pandemie. Haushaltsvermögen und Haushaltseinkommen reichten dennoch, um den Konsum in den letzten vier Quartalen um 2,3% p.a. steigen zu lassen. Im letzten Quartal war der Anstieg zwar etwas geringer, aber angesichts der Rahmenbedingungen noch immer ordentlich. Auch die Unternehmen kamen mit dem schwächeren Wachstum sowie den höheren Kosten und Zinsen gut zurecht. Schon letzte Woche schrieb ich, dass all dies für eine weiche Landung spricht.

Risiken werden belohnt

Die Marktentwicklung passte zu diesem Konjunkturbild. Aktien lagen vor Anleihen, Wachstumswerte (also teure Aktien) vor Substanzwerten, US-Aktien vor Titeln aus anderen Ländern. Im Anleihenbereich liessen in den USA Leveraged Loans und High-Yield-Anleihen alle anderen Marktsegmente hinter sich, in Europa lag High Yield an der Spitze. Mit den – oft variabel verzinslichen – Titeln besonders hoch verschuldeter Unternehmen hat man sehr viel verdient. Der Bloomberg US Leveraged Loan Total Return Index hat dieses Jahr schon um über 8% zugelegt, und High-Yield-Anleihen mit CCC-Rating liegen sogar um fast 13% im Plus. Stark verschuldete Unternehmen mit hohen und in manchen Fällen weiter steigenden Zinsausgaben scheinen mit der schwierigeren Konjunktur und den strafferen Finanzbedingungen gut zurechtzukommen. Nur selten liest man von Herabstufungen, abgesagten Anleihenemissionen und Zahlungsausfällen. Wenn es Schwächen im amerikanischen Unternehmenssektor gibt, halten sich ihre Folgen bis jetzt in Grenzen.

Bewertungen von Unternehmensanleihen beobachten

Dennoch muss man die Bewertungen von Unternehmensanleihen genau beobachten. Nehmen wir Investmentgrade-Titel: Ich schätze diese Assetklasse seit letztem Jahr, und sie hat sich gut entwickelt. Mit dem ICE Bank of America US Corporate Bond Index hat man seit Jahresbeginn 3,7% verdient, etwa 2,6 Prozentpunkte mehr als mit laufzeitgleichen US-Staatsanleihen. Allerdings hat der Kampf der Fed gegen die Inflation die Tagesgeldzinsen steigen lassen. Der Abstand zwischen der Unternehmensanleihenrendite und der Federal Funds Rate beträgt zurzeit nur noch etwa 15 Basispunkte, und schon seit Februar liegt er unter 50 Basispunkten. Die Zinsen sind gestiegen, die Credit Spreads gefallen: Nur noch etwa 21% der Rendite des Unternehmensanleihenindex entfallen auf die Spreads, so wenig wie seit Mitte der 2000er nicht mehr. Eigentlich hätte eine straffere Geldpolitik, die das Wirtschaftswachstum und damit die Inflation dämpfen soll, aber zu höheren statt zu niedrigeren Risikoprämien führen müssen.

Long Staatsanleihen, short Zinsrisikoabsicherung

Wenn anhaltend schwaches Wachstum und die noch immer straffe Geldpolitik am Ende zu einer harten Landung führen, bieten sich Umschichtungen von Unternehmensanleihen in risikoärmere Staatsanleihen an. Auch Verkäufe von Aktien und High Yield könnten dann interessant sein. Wenn eine harte Landung wahrscheinlicher wird, könnten sich zur Risikoabsicherung auch Positionen empfehlen, die von steigenden Risikoprämien und fallenden Zinserwartungen profitieren. Die Volatilität ist nicht hoch. Der Volatilitätsindex VIX, oft als „Angst­index“ bezeichnet, ist im Sommer zwar leicht gestiegen, notiert aber nach wie vor nur bei 15 und war damit selten niedriger als jetzt. Die Volatilität von Unternehmensanleihen, gemessen an Credit Default Swaps (CDS), ist ebenfalls niedrig. Der US-Index für CDS auf Investmentgrade-Anleihen notiert zurzeit bei 62 Basispunkten, bei einem Vor-Corona-Tief von 44 Basispunkten und 111 Basispunkten im letzten September. Und die Zinsen? Der im Juni 2024 fällige Future auf den amerikanischen 3-Monats-Zins signalisiert für den nächsten Sommer 4,9%. Bei einer harten Landung und einem weiteren Inflationsrückgang könnten die Zinsen dann niedriger sein.

Zinsen weiterhin hoch

Eine harte Landung setzt voraus, dass Haushalte und Unternehmen ihr Verhalten ändern. Sobald sich dies abzeichnet, werden die Märkte reagieren. Man kann sich aber nur schlecht darauf vorbereiten. Stattdessen müssen wir die Daten im Blick behalten und darauf achten, was die Unternehmen sagen. Auch wenn die Zahlen zurzeit für eine weiche Landung sprechen, ist es schwer vorstellbar, dass die Unternehmensanleihenrenditen deutlich unter den Tagesgeldsatz fallen. Etwa 100 Basispunkte scheinen die Untergrenze für die amerikanischen Credit Spreads zu sein. Wenn sie so weit fielen und der risikolose Zins unverändert bliebe, betrüge die Unternehmensanleihenrendite 5,48% bei einer Federal Funds Rate von 5,5%. Das wäre akzeptabel, wenn die Märkte bis zur Endfälligkeit der Unternehmensanleihenpositionen mit fallenden Zinsen rechnen. Naheliegend wäre dann aber der Kauf von Zinsfutures (oder eine Verlängerung der Duration). Wahrscheinlicher ist allerdings, dass anhaltend hohe Leitzinsen die Konjunktur schwächen, die Beschäftigungs- und Gewinnerwartungen nachgeben und die Refinanzierung die Unternehmen belastet. In der Rezession werden die Risikoprämien steigen und die Zinserwartungen fallen.

Weitere Credit Spreads und fallende Aktien – die Risiken einer harten Landung

Die Bewertungen können nicht nur im Vergleich zum Kurzfristzins, sondern auch im Vergleich zu Aktien hoch erscheinen. Zurzeit notiert der S&P 500 beim 19-Fachen der für 2024 erwarteten Gewinne. Die Gewinnrendite läge dann bei 5,26% und damit unter der Federal Funds Rate und der Unternehmensanleihenrendite. Von einer echten Aktienrisikoprämie kann also keine Rede sein, und Aktien würden nur bei steigenden Unternehmensgewinnen wirklichen Mehrertrag erwirtschaften. Das mag vielleicht dem Technologiesektor weiterhin gelingen, aber insgesamt scheinen steigende Gewinne bei einer harten Landung unwahrscheinlich. In der Vergangenheit betrug die Korrelation zwischen der Performance des S&P 500 und den Investmentgrade-Spreads 0,7, und die Korrelation mit den High-Yield-Spreads war nur wenig höher. Wenn risikobehaftete Titel nachgeben, dann alle.

Keine Sardellen

Kommen wir zu einem anderen Thema. Immer häufiger war zuletzt von einem neuen El Niño im östlichen Pazifik die Rede. Die Wassertemperaturen steigen, mit Auswirkungen auf die Atmosphäre und damit auf das Wetter. Die übliche Folge sind Dürren in Westaustralien und Teilen Südostasiens, mehr Niederschläge im nordwestlichen Lateinamerika und vielleicht auch ein überdurchschnittlich kalter Winter auf der Nordhalbkugel. All das hat natürlich auch wirtschaftliche Folgen. Die australische Weizenernte ist ebenso gefährdet wie der Kaffee- und Kakaoanbau in Lateinamerika. Bis jetzt bilden die Rohstoffpreise diese Risiken noch nicht ab; die Spotpreise für Weizen sind in den letzten Wochen gefallen. Man sollte die Entwicklung aber genau im Blick behalten, könnte sie doch den Inflationsrückgang bis Anfang 2024 bremsen. Dieses Jahr gab es schon viele Extremwetterereignisse. Wenn zum Klimawandel El Niño hinzukommt, könnte das für manche Risikoregionen und die dort lebenden Menschen grosse Folgen haben. Dem Vernehmen nach berichten peruanische Fischer schon jetzt über ausbleibende Sardellenschwärme in ihren traditionellen Fanggründen im Pazifik – eine Folge der höheren Meeresoberflächentemperatur.

Extreme Temperaturen, katastrophale Überschwemmungen und die möglichen Folgen von El Niño bilden den Rahmen für die COP28-Konferenz in Dubai im Dezember. Nachdem sich viele Investoren in letzter Zeit nur wenig für Umwelt-, Sozial- und Governancethemen – ESG – interessiert haben, könnte die Konferenz den Klimawandel und die Handlungsmöglichkeiten der Investoren wieder in den Blickpunkt rücken. Unter anderem wird es darum gehen, wie man die Emissionen des Energiesektors noch schneller senken kann. Hier können die Vereinigten Arabischen Emirate und die anderen Golfstaaten eine wichtige Rolle spielen. Auch wird erneut über Finanzierungsfragen diskutiert werden, zumal traditionelle Anbieter fossiler Energien seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hohe Übergewinne erzielt haben. Erfreulich wären Vorschläge, zumindest einen Teil der oft von Staatsunternehmen erwirtschafteten Gewinne zur Finanzierung der Energiewende zu nutzen. Aktien von Anbietern erneuerbarer Energien könnte etwas Rückenwind ebenfalls nicht schaden, haben sie doch in den letzten Jahren eher nachgegeben.

Performancedaten/Quellen: Refinitiv Datastream, Bloomberg. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Hinweis auf künftige Erträge.

 

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