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Anleihen nach Verlusten wieder günstiger bewertet


Im Überblick:

  • Wegen der noch immer starken Konjunkturdaten und der Inflation über dem Zielwert hat die Fed bei der Geldpolitik kaum eine Wahl.
  • Die Staatsanleihenrenditen sind so hoch wie seit mehreren Jahren nicht mehr. Dadurch sind Anleihen wieder günstiger bewertet und Credits durchaus attraktiv.
  • Generell wird man bei Anleihen in nächster Zeit eher mit Coupons als mit Kursgewinnen verdienen.

Die Anleihenbaisse im Sommer war nicht einfach. Die Staatsanleihenrenditen sind so hoch wie seit mehreren Jahren nicht mehr, vor allem, weil man so bald keine niedrigeren Leitzinsen erwartet.

Das hat aber auch sein Gutes. Anleihen sind wieder günstiger bewertet. Mehrerträge lang laufender Titel gegenüber dem Geldmarkt scheinen wieder möglich, ganz anders als im bisherigen Jahresverlauf. Voraussetzung dafür ist, dass die Langfristrenditen erneut fallen. Dazu müssten aber Zweifel aufkommen, ob der US-Wirtschaft eine weiche Landung gelingt.

Der Arbeitsmarkt müsste sich also abschwächen, und die Verbraucher müssten weniger Geld ausgeben. Bislang hat vor allem der stabile Konsum die Volkswirte überrascht. Die Rezession im Verarbeitenden Gewerbe, der schwächere Wohnimmobilienmarkt und die strengeren Kreditbedingungen der Banken schadeten der Kauflaune nicht.

Im Vergleich zu den langfristigen Inflationserwartungen ist die US-Zehnjahresrendite zurzeit hoch. Die Realrendite beträgt jetzt fast 2%, was letztmals vor der internationalen Finanzkrise der Fall war. Hoch sind die Renditen aber auch gemessen am Verhältnis zwischen nominalem Trendwachstum und implizitem risikolosen Zins. Demnach wären eher etwa 3,6% statt der derzeitigen 4,3% angemessen.

Zu Abweichungen der tatsächlichen von modellmässig ermittelten, also prognostizierten, Renditen kommt es meist dann, wenn die Fed die Zinsen erhöht. Der Erhöhungszyklus dürfte aber bald zu Ende gehen, weil die Inflation fällt. Auf Zinssenkungen werden wir vielleicht noch warten müssen – aber wenn es so weit ist, werden die langfristigen Staatsanleihenrenditen fallen. Lassen Sie uns aber nicht zu optimistisch werden.

Kurzfristige Erträge und alte Sorgen

Mehrere Entwicklungen könnten Anleihenerträgen in den nächsten Monaten aber im Weg stehen. Erstens könnten die Zinsen weiter steigen. Die Fed und andere Notenbanken wissen die niedrigere Inflation zu schätzen, doch liegt die Teuerung noch immer deutlich über den Zielwerten. Weitere Leitzinserhöhungen oder allein schon die Erwartung, dass die Zinsen bis weit ins Jahr 2024 hinein hoch bleiben, würden Anleihen schaden.

Zweitens bleiben die Konjunkturdaten stabil. Die Verbraucher lassen sich von den höheren Zinsen nicht beeindrucken, zumindest solange sie Arbeit haben und ihre Einkommen steigen. Ohne einen schwächeren Konsum ist eine Rezession aber unwahrscheinlich. Die Leitzinsen könnten daher hoch bleiben, zumal die Fed sehr genau registriert, dass die Inflation nicht weiter fällt. Die meisten US-Beschäftigungsdaten sprechen für einen stabilen Arbeitsmarkt, aber in den meisten Konjunkturmodellen kann die Inflation ohne eine steigende Arbeitslosenquote nicht auf ihren Zielwert fallen.

Irgendwann werden wir besser verstehen, warum die Leitzinserhöhungen um über 500 Basispunkte die US-Wirtschaft nicht so stark gebremst haben wie diese Konjunkturmodelle vermuten lassen. Vielleicht wirken Notenbankentscheidungen jetzt erst später. Vielleicht spielen die soliden Haushalts- und Unternehmensfinanzen eine Rolle. Einstweilen befinden wir uns jedenfalls nicht in der Rezession, sodass auch kein Bedarf an Zinssenkungen besteht. Der jüngste Renditeanstieg bestätigt das.

Wegen der anhaltend guten Konjunkturdaten und der Inflation über dem Zielwert kann die Fed keine lockerere Geldpolitik signalisieren. Die Zinsentwicklung ist unsicherer, als es die meisten Anleger gerne hätten. Sie hatten erwartet, dass die Straffung der Jahre 2022 und 2023 eine Rezession auslöst und die Geldpolitik dann schnell wieder gelockert wird. Die derzeitige Unsicherheit verlangt hingegen eine höhere Laufzeitprämie länger laufender Anleihen, also höhere Langfristrenditen. Die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Renditen und denen, die das nominale BIP-Modell postuliert, bestätigt diese Unsicherheit.

Technische Herausforderungen

Lang laufende Anleihen stehen aber auch aus technischen Gründen unter Druck. Die Fed erwartet für 2024 ein US-Haushaltsdefizit von 1,7 Billionen US-Dollar. Der Staat muss sich also eine Menge Geld leihen. Zugleich verringert die Fed ihre Bilanzsumme. Wenn die Anleihen in ihren Beständen fällig werden, werden sie nicht durch neue ersetzt. Weitere technische Faktoren sind mögliche Änderungen der japanischen Zinsstrukturkurvensteuerung und Chinas Versuche, die eigene Währung zu stützen, vermutlich durch den Verkauf von US-Dollar. Ich glaube zwar nicht, dass dies grosse Auswirkungen auf US-Staatsanleihen hat, aber es ist der Marktstimmung sicher nicht zuträglich.

Nach zwei Verlustjahren in Folge hatte man 2023 auf ein besseres Anleihenjahr gehofft. Für viele Anleihenstrategien ist es aber wieder enttäuschend. Nach dem Renditeanstieg können Anleger jetzt erneut auf eine Rezession und fallende Zinsen wetten. Kurzfristig könnten sie aber wieder enttäuscht werden. Und doch ist nicht aller Tage Abend. Kurzläuferstrategien liefern Ertrag und könnten das auch weiterhin tun.

Eine überraschend starke Konjunktur hat aber auch ihr Gutes: Credits scheinen attraktiv und bieten höhere Renditen als Staatsanleihen. Die Emittenten von Industrie- und Finanzanleihen kommen mit den höheren Fremdkapitalkosten bislang gut zurecht. Ihre Finanzen sind ordentlich, und man zweifelt auch kaum daran, dass sie ihre Schulden weiterhin bedienen können. Ausserdem notieren sehr viele Anleihen zurzeit unter pari. Irgendwann werden Anleiheninvestoren davon profitieren, dass ihre Kurse bis zur Endfälligkeit daher zwangsläufig wieder steigen.

Ein neues Umfeld

Die Welt hat sich verändert. Der lange Schatten der Pandemie und der damit einhergehende Inflationsschock machen die Weltwirtschaft schwerer prognostizierbar. 2% Inflation bei stabilem Wachstum oder Zinssenkungen, weil Wachstum und Inflation zu niedrig scheinen, sind äusserst unwahrscheinlich geworden. Die Kurse sprechen zurzeit für steigende Gleichgewichtszinsen. Ohne eine ausgeprägte Rezession werden sich die Verbraucherpreise ganz anders entwickeln als in den 2010ern. Die Notenbanken werden vor allem einen Inflationsanstieg verhindern müssen statt einen zu starken Inflationsrückgang.

Im Schnitt könnten die Zinsen daher in Zukunft höher sein als in den letzten 15 bis 20 Jahren. Wenn die Inflation nicht mehr kontinuierlich unter den Zielwerten liegt, könnten Leitzinsänderungen wahrscheinlicher werden. Höhere durchschnittliche Leitzinsen und häufigere Zinsänderungen hätten vielleicht auch weniger ausgeprägte Erhöhungszyklen zur Folge, sicher im Vergleich zu den über 500 Basispunkten des letzten Zyklus.

Anleihen werden nicht immer enttäuschen. Weil aber die Renditen so hoch sein werden wie seit vielen Jahren nicht mehr, werden die Erträge sehr viel stärker von den Coupons abhängen als von Kursgewinnen durch massive Leitzinssenkungen oder Wertpapierkäufe der Notenbanken. Ich rechne nicht mit US-Staatsanleihenrenditen von 6%, erwarte aber auch keinen Rückgang auf weniger als 3%. In dieser Spanne dürfte sich der Leitzins in der neuen Zeit bewegen. Aktiven Managern reicht das, um ordentliche Erträge zu erzielen.

(Alle Daten Stand August 2023. Quelle: Bloomberg)

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