Zeitenwende: Was tun bei volatilen Märkten?
- Mit dem derzeitigen Zinsanstieg endet eine Ära – und eine neue beginnt.
- Weil die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen dieses Jahr sehr stark gestiegen ist, muss man die Portfoliodiversifikation verbessern.
- Die neue Zeit mahnt zur Vorsicht. Wir achten genau auf Signale, die für einen erneuten Einstieg in risikoreichere Assetklassen sprechen könnten.
2022 war bislang nicht einfach. Besonders deutlich zeigt sich das an der Wertentwicklung internationaler Anleihen, die einfach nur katastrophal war. Die Inflation wird steigen, das Wachstum wird fallen. In diesem Beitrag geht es um mehrere Entwicklungen in diesem Jahr und ihre mögliche Bedeutung für die nächsten Monate.
Wie es begann
Der russische Einmarsch in die Ukraine hat 2022 für viel Unruhe gesorgt. Trotz mancher Anzeichen für einen drohenden Konflikt waren europäische Aktien zu Jahresbeginn gerade auf neue Hochs gestiegen. Der russische Einmarsch liess die Kurse dann weltweit einbrechen, und die schon vorher schwachen Technologieaktien gaben besonders stark nach. Zwar ist Russland wirtschaftlich ein kleiner Fisch, aber die EU mit ihren knapp 450 Millionen Einwohnern nutzt russisches Gas nicht nur zum Heizen. Entsprechend gross sind die wirtschaftlichen Folgen.
Inflation
In Deutschland ist die Inflation so hoch wie zuletzt in den 1950ern, in den USA wie in den 1980ern.1 Weil die Teuerung jahrelang nahe null lag, haben die meisten Volkswirte den Preisauftrieb unterschätzt. Für die hohe Inflation gibt es mehrere Gründe: die hohe Nachfrage infolge der lockeren Fiskalpolitik und der sehr expansiven Geldpolitik, die Angebotsengpässe aufgrund von Lieferstörungen (Logistikprobleme, Halbleitermangel etc.), die niedrige Arbeitslosigkeit und schliesslich den Energiepreisschock durch den Krieg in der Ukraine. Hinzu kommen strukturelle Faktoren wie die Energiewende, die hohe Rohstoffnachfrage und die Alterung der Bevölkerung. Das Ergebnis? Die realen Haushaltseinkommen brechen ein.
Das Ende der wunderbaren Geldvermehrung
Wir haben es kommen sehen und schon oft darüber geschrieben. Nach über zehn Jahren mit niedrigen Zinsen haben die Notenbanken begonnen, die Geldpolitik zu normalisieren. Sie verringern ihre Bilanzsummen, um die rekordhohe Inflation zu dämpfen – auch wenn die EZB das Wort „Tapering“ meidet. Ziel ist eine geringere gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch straffere Finanzbedingungen. Die Märkte reagierten eher negativ auf die Zinserhöhungen von Fed, EZB und fast allen anderen Notenbanken. In den USA werden die Zinsen in nur einem Jahr wohl so stark erhöht wie zuletzt in den frühen 1980ern, den Zeiten von Paul Volcker. Wahrscheinlich erleben wir die zweitstärksten Zinserhöhungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Was das bedeutet? Die Notenbanken müssen eine Rezession hinnehmen, damit sich der Preisauftrieb normalisiert.
Rezession – ein notwendiges Übel
Schon jetzt geht das Wirtschaftswachstum in den USA drastisch zurück – wegen der fallenden realen Haushaltseinkommen, der Lieferengpässe, der deutlich restriktiveren Fiskalpolitik und der generell strafferen Finanzbedingungen. Nicht anders ist es in Europa, wo die Lage auf den ersten Blick nicht besonders gut erscheint. Die Notenbanken müssen ihre Geldpolitik weiter normalisieren, damit sich der Arbeitsmarkt abkühlt und die Löhne nicht mehr steigen. Dazu wird aber wohl eine Rezession nötig sein. Hinzu kommt die Energiekrise, die es der EZB noch schwerer macht. Sie muss nämlich eine Inflation bekämpfen, die durch externe Faktoren verursacht wird. Damit sie auch nur leicht zurückgeht, muss das Wachstum fallen.
Unternehmensgewinne
Nach dem Rekordjahr 2021 hatten wir mit einem Rückgang gerechnet. Aber bilden die Märkte das vollständig ab? Die Unternehmensgewinne waren 2021 hervorragend, bei Zinsen nahe null, und sie haben sich dank der Preismacht der Unternehmen auch dieses Jahr gut gehalten. Aber so wird es nicht bleiben. Wenn die Nachfrage fällt, dürfte es mit den rekordhohen Margen vorbei sein.
Taiwan – ein Grund zur Sorge?
Man sollte die Spannungen zwischen China und den USA wegen Taiwan nicht unterschätzen. China könnte versucht sein, in den nächsten Jahren in Taiwan einzufallen, und ohne Taiwan müsste ein Grossteil der Fabriken weltweit innerhalb weniger Wochen schliessen. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) stellt 65% aller Halbleiter weltweit her.2 Kurzfristig ist das ein beachtliches Risiko. Längerfristig plant die EU aber gewaltige Investitionen in Höhe von 42 Milliarden Euro3 in den Halbleitersektor, um unabhängiger von Lieferungen aus Asien zu werden. Das kann eine interessante Anlagechance sein.
Alles in allem sind wir zum Herbstbeginn aber vorsichtig. In Aktien sind wir untergewichtet, und die Aktienquote unserer Portfolios ist so niedrig wie selten zuvor. Dabei achten wir sorgfältig auf die diversen Marktsignale: Kursbewegungen, Bewertungen, Stimmungsindikatoren und technische Faktoren. Wenn uns der Zeitpunkt günstig erscheint, werden wir wieder in risikobehaftete Titel einsteigen. Die Zinsentwicklung schätzen wir neutral ein; es kann in beide Richtungen gehen.
Mit dem Ende der andauernden Niedrigzinsen geht auch eine Ära zu Ende, die für Aktien nicht besser hätte sein können. Eine stabile, inflationsfreie Konjunktur ist nicht mehr selbstverständlich, ebenso wenig wie eine extrem expansive Geldpolitik mit Anleihenrenditen von null. Das Alte ist vorbei, das Neue beginnt.
Wir müssen uns deshalb mit volatileren Märkten abfinden. Dazu müssen wir unsere Portfolios besser diversifizieren. Ziel muss sein, sie auch dann vor Verlusten zu schützen, wenn die Korrelationen zwischen den Assetklassen wieder steigen – was seit Jahresbeginn bereits der Fall ist.
Die Unternehmen werden nur zu Informationszwecken genannt. Dabei handelt es sich nicht um Kauf- oder Verkaufsempfehlungen.
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