COP28: Was Investoren zu erwarten haben
Im Überlick:
- Vor der Dubaier UN-Klimakonferenz im November und Dezember 2023 (COP28) fand erstmals eine Bestandsaufnahme der weltweiten Klimaschutzbemühungen statt. Dabei zeigte sich, dass dringend sehr viel mehr getan werden muss.
- Um den Vorsitz der Konferenz gab es Streit, und die mangelnde Einigkeit über wichtige Ziele hemmt den Fortschritt.
- Wir glauben, dass in Dubai höhere Finanztransfers an Entwicklungsländer beschlossen werden. Nach wie vor sind wir davon überzeugt, dass ausser den Regierungen hier auch den Investoren eine wichtige Rolle zukommt.
COP28 ist in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein. Es ist die Weltklimakonferenz nach der ersten weltweiten Bestandsaufnahme der bisherigen Massnahmen, dem sogenannten Global Stocktake. Am 8. September hat die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) diese bislang umfassendste Untersuchung der Fortschritte auf dem Weg zu den Pariser Klimazielen von 2015 vorgelegt, nach einer zweijährigen Analyse auf Basis des sechsten Berichts des Weltklimarats (IPCC).
Im Vorfeld der Konferenz fehlte es nicht an Kontroversen, vor allem wegen der mangelnden Fortschritte bei der CO2-Verringerung – 2022 erreichte der Ausstoss einen Rekord.1 Auch die Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate war umstritten.
Das Fazit des IPCC-Berichts ist alarmierend. Demnach haben wir den Pfad zur Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau verlassen. Die Gefahr wächst, dass wichtige Kipppunkte überschritten werden.2
Der Studie zufolge erfordert der Kampf gegen den Klimawandel auch drei- bis sechsmal so hohe Investitionen in Emissionsminderung und die Anpassung an den Klimawandel. Ausserdem hat die Weltorganisation für Meteorologie gerade erst vor einer Rückkehr von El Niño gewarnt. Das Klimaphänomen würde in einigen Teilen der Welt Dürren und in anderen heftige Überschwemmungen auslösen.3
Eine kontroverse Klimakonferenz
Natürlich gab es heftige Auseinandersetzungen darüber, dass Sultan Ahmed Al Jaber, Minister für Industrie und Technologie der Vereinigten Arabischen Emirate (VAR) – und CEO der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) – die Konferenz leiten soll. Viele Mitglieder des US-Kongresses und des Europäischen Parlaments waren dagegen.
Wenig hilfreich ist auch, dass die Emirate für Energieverschwendung bekannt sind und ihre Öl- und Gasfelder bis 2030 weiter ausbeuten wollen.4
Und schliesslich hat der Gastgeber Syriens Präsidenten Baschar al-Assad zur Konferenz eingeladen, obwohl im Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Wir halten das für einen bemerkenswerten Vorgang.
Der Global Stocktake im Überblick
Der Global Stocktake der UNFCCC zeigt, wie weit wir von den Pariser Klimazielen entfernt sind. Er lässt keinen Zweifel daran, dass noch sehr viel mehr getan werden muss – und zwar sofort und überall. Das gilt für die Emissionsverringerung ebenso wie für die Eindämmung der Regenwaldzerstörung und die Bereitstellung von Kapital.
Die Studie fordert alle zu Mitarbeit auf. Neben nationalen staatlichen Massnahmen verlangt sie von allen Beteiligten eine bessere internationale Zusammenarbeit und mehr Innovationen. Detailliert wird beschrieben, wo gehandelt werden muss. Unter anderem soll Kapital bereitgestellt werden, damit die Entwicklungsländer zu den Industrieländern aufschliessen können und ein gerechter Wandel („Just Transition“) möglich wird.
Drei Punkte scheinen uns besonders wichtig:
- Der Stocktake besteht darauf, dass sich alle Sektoren grundlegend ändern müssen. Dazu fordert er Massnahmen auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite. Dies wird deshalb so klar formuliert, weil man oft nur den Öl- und Gassektor im Blick hat. Andere Branchen – und die Nachfrageseite – werden von der Öffentlichkeit und manchen Investoren oft übersehen.
- Anders als bei der Entwaldung verlangt der Stocktake bei der Öl- und Gasförderung keine Verringerung bis 20305 – was Bemühungen um einen geringeren Verbrauch oder zumindest eine Stabilisierung natürlich nicht ausschliesst. Man scheint sich aber etwas von den Konsequenzen des 1,5°-Ziels zu distanzieren.
- CO2-Abscheidung wird als kurzfristig sinnvolle Option für Sektoren beschrieben, die den CO2-Ausstoss nur schwer verringern können, aber nicht für die Gesamtwirtschaft.6
Eine pragmatischere Klimakonferenz?
Wir rechnen mit einem gewissen Pragmatismus, weil es die Regierungen bislang nicht geschafft haben, Vorbild zu sein und wirklich etwas zu ändern. Natürlich gibt es Hindernisse, vor allem politischer und finanzieller Art. Zuletzt kam das Thema Energiesicherheit hinzu.
Ein weniger offensichtlicher, aber durchaus beunruhigender Grund für die mangelnden Fortschritte ist die zunehmende Fragmentierung der Welt. Sie zeigt sich etwa darin, dass die den Entwicklungsländern von den Industrieländern zugesagten 100 Milliarden US-Dollar jährlich noch immer nicht geflossen sind, was die Fragmentierung weiter verstärkt. Doch selbst wenn man hier eine Lösung findet, wird sich die Welt weiter auseinanderentwickeln. China und Indien liegen im Dauerstreit, was die Zusammenarbeit mit dem Westen erschwert. Einerseits will man Indien helfen, andererseits will man die schon jetzt schwierigen Beziehungen zu China nicht weiter belasten.
Die Ziele der emiratischen Präsidentschaft
Im Grunde wollen die Emirate weder Umwälzungen noch andere grosse Veränderungen. Sie betonen, dass die Bemühungen um weniger CO2-Ausstoss intensiviert und die Anpassung an den Klimawandel forciert werden sollen. Man will die Zielwerte für erneuerbare Energien anheben, den Zugang zu Finanzmitteln gerechter machen und die Auflegung des auf der COP27-Konferenz beschlossenen Verlust- und Schadensfonds in Angriff nehmen, der vom Klimawandel stark betroffenen Ländern bei Naturkatastrophen helfen soll.7 Es überrascht nicht, dass die Emirate für eine ganzheitliche Energiewende eintreten, bei der Kohlenwasserstoffe weiterhin eine Rolle spielen. Sie verweisen auf die Energiesicherheit, haben aber auch mehrere Arbeitsgruppen zu konkreten Themen aus den Bereichen Natur und Meeresschutz, Lebensmittel und Landwirtschaft, Gesundheit sowie Bildung und Frauenrechte eingesetzt.
Natürlich liegt es im Eigeninteresse der Golfstaaten, mit ihren Öl- und Gasreserven so viel wie möglich zu verdienen, bevor Nachfrage und Preise fallen. Aber es ist nicht dasselbe, ob man das Angebot bis 2030 erhöht, es auf dem bisherigen Niveau belässt oder ob man es sogar senkt. Die Äusserungen des emiratischen Sultans Al Jaber zur Energiewende und zur Rolle der ADNOC lassen wenig Zweifel daran, dass sein Land mittelfristig weiter Öl und Gas fördern will.2
Anhand der konkreten Zusagen auf der COP28-Konferenz dürfte sich aber abschätzen lassen, ob die Anstrengungen zunehmen oder ob man den Klimaschutz weiter in die Zukunft verschiebt.
Gewisse Vorbehalte haben wir auch gegen die starke Betonung von Wasserstoff und CO2-Abscheidung. Auch hier liegt der Teufel im Detail. Wie wir schon an anderer Stelle schrieben, sind beides keine Allheilmittel, zumal beides wohl nur für Sektoren interessant ist, die ihren CO2-Ausstoss nur wenig senken können. Dazu zählen die Stahlindustrie und beim Wasserstoff auch der Seetransport. Die Kosteneffizienz ist aber zweifelhaft, und für die CO2-Abscheidung ist auch eine entsprechende Infrastruktur nötig.9 In den meisten Branchen müssen zunächst die Emissionen verringert werden, anders als die Emirate mit ihrem CO2-Abscheidungsprogramm vorzuschlagen scheinen. Vor allem für den Öl- und Gassektor scheint diese Technologie keine ernsthafte Alternative zu sein. Er muss sein gesamtes Geschäftsmodell ändern.
In all diesen Bereichen würden wir gerne mehr Ehrgeiz der emiratischen Präsidentschaft sehen. In Europa sind die grossen Ölkonzerne die klassischen Ziele von Nichtregierungsorganisationen oder Aktivisten aus der Zivilgesellschaft. Auf sie entfallen aber nur 15% der weltweiten Förderung, gegenüber mehr als 40%10 Anteil der staatlichen Ölgesellschaften wie der ADNOC. Sie haben die Technologien und die Finanzkraft, um mehr zu investieren und etwas zu ändern. Die emiratische Präsidentschaft könnte hier mit gutem Beispiel vorangehen.
Grosse Erwartungen?
An greifbaren Ergebnissen der Klimakonferenz erhoffen wir uns vor allem höhere Finanztransfers in die Entwicklungsländer, sodass der auf der COP27-Konferenz beschlossene Verlust- und Schadensfonds einsatzfähig wird. Selbstverständlich ist das aber nicht, da gemeinsame Finanzierungen nicht immer einfach sind.
Es ist sehr schwierig, genügend Kapital bereitzustellen. Aber auch hier kommt den Regierungen eine wichtige Rolle zu. Wenn man die derzeitigen Subventionen für fossile Energien, Landwirtschaft und Fischerei abschafft, würden hunderte Milliarden US-Dollar frei,11 selbst wenn Nahrungsmittelsubventionen beibehalten werden.
Passend dazu würden wir uns auch Fortschritte bei den Reformen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank wünschen. Auch dadurch könnten Mittel für die Finanzierung von Entwicklungsländern frei werden.12
Für Investoren gilt: Alles, was nötig ist
Von COP28 erwarten wir alles in allem nicht sehr viel. Das liegt nicht in erster Linie an der Präsidentschaft, sondern der mangelnden Einigkeit über die Prioritäten und die immer stärkere Fragmentierung der Welt. Das erschwert die internationale Zusammenarbeit.
Wir hoffen, dass sich die Bedenken wegen der COP28-Präsidentschaft als unbegründet erweisen. Selbst wenn wir nicht mit entschlossenen Massnahmen zu einer allmählichen Verringerung der Öl- und Gasförderung rechnen, sollte COP28 zumindest Fortschritte bei der Nutzung von Wind- und Solarenergie auf den Weg bringen – durch Investitionen in die erforderliche Infrastruktur.
Nur dann werden sich die Entwicklungsländer nicht mehr in einem Zielkonflikt zwischen dem Verkauf ihrer Bodenschätze und dem Kampf gegen den Klimawandel befinden. Beispielsweise ist in Afrika das Potenzial für Solar- und Windenergie gross. Die Nachfrage vor Ort ist aber noch zu gering, damit sich grosse Wind- und Solarprojekte lohnen. Es gibt weder Speichermöglichkeiten noch die Infrastruktur für den Export grüner Energie.
Als Investoren können wir untätige Regierungen nur schwerlich ersetzen. Wir werden aber weiter darauf drängen, dass die Politik mehr tut. Zugleich werden wir Einfluss auf die Privatwirtschaft nehmen, sodass sie ihre Emissionen generell senkt und zu einer Veränderung des gesamten Energiesystems und der Nachfragestruktur beiträgt.
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