Innovationen und Chancen: Der Weg zur Netto-Null
Beim Kampf gegen den Klimawandel und beim Übergang zur Netto-Null gibt es zwei gegenläufige Kräfte. Einerseits sind die wissenschaftlichen Fakten düster: Wir nähern uns der von uns festgelegten 1,5°-Obergrenze für die Erderwärmung1 , und es gibt immer mehr extreme Wetterereignisse.
Andererseits kommen immer mehr innovative Lösungen an den Markt, die helfen können, die Netto-Null zu erreichen: Lösungen wie erneuerbare Energie und Elektrofahrzeuge, deren Verbreitung stark zunimmt, aber auch neue Ideen in Bereichen wie Industriewärme und Alternativen zu tierischem Protein. Es ist ein Wettlauf zwischen dem Menschen und den Innovationen in der Wirtschaft und den Schäden, die bereits entstanden sind.
Die UN-Klimakonferenz COP29 in Baku (Aserbaidschan) wird ein wichtiger Meilenstein, auch wenn ihre Ergebnisse vermutlich nicht an die der COP26 in Glasgow oder der COP28 in Dubai heranreichen werden. Wir werden immer aktiver. Auf der letzten New York Climate Week ging es weniger um Ziele als um Pläne. Die Menschen packen es an und reden darüber, wie man die formulierten Ziele erreichen kann.
Auf der COP29 werden die ersten Länder ihre aktualisierten Nationally Determined Contributions bis zum Jahr 2035 vorstellen und berichten, wie sie dazu beitragen werden, die Erderwärmung zu bremsen und unter 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten.
Auch ein neuer Finanzierungsrahmen wird in Baku verhandelt, das New Collective Quantified Goal.
Es baut auf der Vereinbarung aus dem Jahr 2009 auf, nach der Industrieländer jedes Jahr insgesamt 100 Milliarden US-Dollar aufbringen sollen, um Schwellenländer bei der Bekämpfung des Klimawandels zu unterstützen. Es steht zu hoffen, dass man dabei auch berücksichtigt, dass staatliche und private Investitionen der Emerging Markets ebenso wichtig sind. Schliesslich müssten hier nach dem Bericht nach der COP27 im Jahr 2022 bis 2030 jedes Jahr 2,4 Billionen US-Dollar investiert werden.2
Die Festlegung auf die Summe von 100 Milliarden US-Dollar hat uns gebremst. Es muss mehr Kapital mobilisiert werden – vom Privatsektor weltweit, von den Emerging Markets und von allen Ländern. Aber meiner Ansicht nach muss man auch die Realwirtschaft im Blick behalten. Sie bietet Problemlösungen, an denen auch die Industrie und die Finanzminister mitarbeiten müssen.
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Von Zielen zu Plänen
Einige politische Entscheider haben den Schritt von Zielen zu Plänen bereits gemacht – einige mehr, andere weniger erfolgreich. Ein gutes Beispiel ist Kalifornien. Die fünftgrösste Volkswirtschaft der Welt hat ambitionierte Netto-Null-Ziele und entsprechende Richtlinien, auch für den Automobilsektor. Unterdessen arbeiten in Dänemark die Industrie und andere Unternehmen mit der Regierung zusammen, um die Netto-Null-Pläne weiter voranzutreiben.
In Grossbritannien wurden Rekordsummen in erneuerbare Energie investiert3 und vielversprechende Pläne für Strom und Transport entwickelt. Hier stehen die Industrie, Wohnimmobilien, Landwirtschaft und Nahrungsmittel im Mittelpunkt – Bereiche, in denen es weniger klare Vorschriften gibt und mehr Innovationen nötig sind. Die neue Regierung hat sofort Nägel mit Köpfen gemacht und ist dem Rat des Climate Change Committee gefolgt, einige der von der Vorgängerregierung eingestellten Massnahmen wieder einzuführen und dem National Wealth Fund (ehemals UK Infrastructure Bank) mehr Kapital für Investitionen in die Erreichung des Netto-Null-Ziels zur Verfügung zu stellen.
Die US-Wahlen sorgen für etwas Unsicherheit in puncto Richtlinien zur Förderung der Netto-Null in der grössten Volkswirtschaft der Welt. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass Donald Trump zu Beginn seiner letzten Präsidentschaft zwar fest versprochen hatte, die US-Kohleindustrie wieder aufleben lassen, dann aber Kohlekraftwerke unter seiner Regierung schneller stillgelegt wurden als unter Barack Obama.4
Wenn Trump erneut Präsident wird, könnte er versuchen, die Umstellung auf Elektrofahrzeuge rückgängig zu machen. Aber angesichts ihrer enormen bereits getätigten Investitionen würde die US-Automobilindustrie darunter vermutlich leiden. Mehr Sorgen bereiten dagegen die Folgen eines möglichen Handelskriegs für die Verbraucher und das Weltwirtschaftswachstum. Dies könnte den gesamten Prozess hin zu Netto-Nullemissionen verlangsamen.
Andernorts denken einige Emerging Markets an mögliche Verluste der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weg zur Netto-Null. Hier müssen die politischen Entscheider umdenken und die Industrie entsprechend weiterentwickeln, weil sie sonst am Ende Lösungen aus dem Ausland importieren müssen und Marktanteile verlieren. China hat dies schon vor gut 15 Jahren getan und in die Elektrofahrzeugindustrie investiert. Heute versucht der Rest der Welt, wieder den Anschluss zu finden. Vermutlich wird das nicht gelingen. Die Lehren aus der Ölkrise in den 1970er-Jahren, als US-Automobilhersteller zu spät auf den Bedarf an energieeffizienteren Fahrzeugen reagiert und Marktanteile verloren haben, scheinen vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein.
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Der Übergang als Chance
Alles in allem sind wir auf einem guten Weg, Netto-Nullemissionen zu erreichen. Vergessen Sie die Schlagzeilen, die Ihnen weismachen wollen, dass sich alles verlangsamt und dass die Netto-Null-Zusagen weniger ernst genommen werden. Sehen Sie sich die Fakten an: Die Dinge beschleunigen sich. Beispielsweise prognostizierte die Internationale Energieagentur (IEA), dass die Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energie weltweit bis 2030 um das 2,7-Fache wachsen werden.5 Das ist weniger als die auf der COP28 für diesen Zeitraum beschlossene Verdreifachung, aber meiner Einschätzung nach ist die IEA-Prognose vermutlich konservativ, und ich denke, dass die Verdreifachung noch immer erreicht werden kann.
Wenn man bedenkt, dass eine Technologie nach der anderen exponentiell wächst, ist die Vergangenheit nicht immer ein guter Hinweis auf die Zukunft, vor allem in Zeiten grundlegender Veränderungen. Ein Beispiel: Es hat 20 Jahre gedauert, bis Elektrofahrzeuge 20% Marktanteil erreicht haben, aber das bedeutet nicht, dass der Anstieg auf 40% ebenfalls 20 Jahre dauern wird. Tatsächlich sind Verbrennungsmotoren nach einer vernünftigen Prognose der exponentiellen Entwicklung schon 2035 Vergangenheit.
Ein grosser Teil der Dekarbonisierung in der Schwerindustrie wird aufgrund der Entwicklung von Produkten und Lösungen erfolgen, die grundlegende Veränderungen bewirken – von Unternehmen, die ihre Konkurrenz weit hinter sich lassen werden. So war man sich noch vor fünf Jahren weitgehend einig, dass grüner Wasserstoff die Lösung für die Dekarbonisierung von Hochtemperatur-Heizprozessen in der Industrie sein wird. Heute sieht es so aus, als würden sich thermoelektrische Systeme durchsetzen. Vermutlich wird in Zukunft mehr Kapital in einige der neuen Wachstumsbereiche fliessen. Und das bedeutet Chancen für jene, die die Exponentialrechnung beherrschen und Ausschau nach Anbietern von Lösungen halten, die den Übergang zu Netto-Nullemissionen vorantreiben.
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Nigel Topping ist externer Berater des AXA IM Investment Institute.
Alle in diesem Artikel enthaltenen Einschätzungen und Meinungen sind die des Autors und können sich von denen von AXA Investment Managers unterscheiden.
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