Neue Experten, neue Perspektiven: Konjunktur, Klima und Biodiversität
Im Überblick:
- In den nächsten ein bis eineinhalb Jahren dürfte die Inflation wieder auf ein normaleres Niveau zurückgehen.
- Die negativen Folgen des Klimawandels werden sich verschärfen, aber die Technologie, sie zu bewältigen, gibt es bereits.
- Klimawandel und Artensterben sind eng miteinander verknüpft. Wenn wir beides in den Griff bekommen wollen, müssen wir schnell unser Konsummuster verändern.
Beim Investieren kommt es auf gute Ideen an. Entstehen können sie im Zusammenhang mit wichtigen Themen oder aufgrund von eingehenden Analysen, aber niemals zufällig. Wir haben kürzlich externe Berater in unser Investment Institute Advisory Committee berufen, unter anderem, um unsere Konjunktur-, Nachhaltigkeits- und Investmentthemenanalysen auszuweiten und zu verbessern.
Am letzten Treffen des Komitees nahmen drei dieser Berater teil. Das Ergebnis war eine spannende, lehrreiche und ermutigende Diskussion – trotz der vielen Probleme, vor denen die Welt zurzeit steht. Gesprochen haben wir vor allem über kurz- und langfristige Entwicklungen, die Auswirkungen auf die globalen Investmentaussichten haben. In speziellen Runden gingen wir näher auf Konjunktur, Klimawandel und Biodiversität ein.
Zu den externen Mitgliedern des Komitees zählten einige einflussreiche und erfahrene Experten für diese drei Bereiche:
- Olivier Blanchard, emeritierter Professor für Volkswirtschaft am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und früherer Economic Counsellor und Director des Research Department for the International Monetary Fund (IMF). Zurzeit ist er Senior Fellow des Peterson Institute for International Economics.
- Nigel Topping, Klimapolitik-Berater und früherer Climate Champion für COP26. Zuvor war er CEO von We Mean Business, wo er die gemeinschaftlichen Klimamassnahmen von Nichtregierungsorganisationen vorantrieb. Ausserdem gründete er Race to Zero, Race to Resilience und die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ).
- Nicolas Loz De Coëtgourhant Head of Sustainable Business Practices, World Wildlife Fund (WWF) in Frankreich. Zuvor war er fünf Jahre Berater mit Schwerpunkt nachhaltige Entwicklung bei PricewaterhouseCoopers.
Es wurde ein langes Meeting mit guten Gesprächen, zum Teil allgemein, teilweise aber auch sehr detailliert. Im Folgenden versuche ich einige der wichtigsten Punkte zusammenzufassen. Wir freuen uns auf weitere interessante Treffen.
Konjunktur, Inflation und das Leben nach der Pandemie
Die Weltwirtschaft hat unter einer galoppierenden Inflation gelitten, die aber jetzt nachlässt und weiter zurückgehen dürfte. Die Zentralbanken tun alles, um die Teuerung wieder in die Nähe der von ihnen angestrebten Niveaus zu bringen. In den nächsten 12 bis 18 Monaten dürfte ihnen das auch gelingen.
In unseren Gesprächen wurde klar, dass die Inflation zwei wichtige Ursachen hat: Preisschocks und eine angespannte Finanzlage. Die Preisschocks sind auf Lieferengpässe zurückzuführen, was beträchtliche Folgen für die Gesamtinflation hat. Aber derartige Schocks sind meist von kurzer Dauer. Von jetzt an kommt es auf den Arbeitsmarkt an. Die Löhne dürfen nicht zu stark steigen. Das ist eine schleichende Entwicklung, die aber im Laufe der Zeit zu einem enormen Druck führen kann.
In den USA gibt es mehr Belege für eine Überhitzung als in Europa, sodass es der Federal Reserve möglicherweise schwerer fallen wird, die Inflation unter 3% zu bringen. In Europa sind die Energiekosten der stärkere Inflationstreiber, aber eine schleichende Überhitzung ist hier weniger ausgeprägt.
In puncto Finanzlage gibt es ein Problem mit den Durationsrisiken einiger Banken. Die Anleihen vieler Finanzinstitute dürften unkritisch sein, wenn sie bis zu ihrer Fälligkeit gehalten werden. Schwierig könnte es werden, wenn man sie heute zu Marktpreisen verkaufen müsste. Bei Abflüssen der Bankeinlagen können Solvenzprobleme entstehen. Um ihre Kunden zu halten, können Banken nur eines tun: die Zinsen für Geldmarktanlagen oder Sparkonten erhöhen. Dann müssten sie aber mehr bezahlen, als sie für ihre eigenen Portfolios erhalten. Aber die Zentralbanken haben viele Instrumente an der Hand, um Liquiditätsengpässe von Banken zu lindern.
Die Auswirkungen der Pandemie auf unser Leben haben Folgen für die Organisation von Unternehmen und Städten. Die Pandemie hat die Menschen dazu veranlasst, den Stellenwert der Arbeit in ihrem Leben zu überdenken. Aber auch die Bekämpfung des Klimawandels verändert vieles, beispielsweise die Art der Arbeitsplätze aufgrund des Übergangs zu Elektroautos, der eine Umverteilung der Arbeitskräfte im Automobilsektor nach sich zieht. Zugleich sind enorme Investitionen in die Energiewende zu erwarten mit sowohl öffentlichen als auch privaten Geldern.
Die Politik fördert das. Sie will nicht nur verantwortlich handeln, sondern auch Produktivität und Wirtschaftswachstum fördern. Eine der Herausforderungen besteht darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Deglobalisierung und der für die Bekämpfung des Klimawandels notwendigen internationalen Zusammenarbeit zu finden.
Ein schnellerer Übergang zu Netto-Null-Emissionen
Der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) war keine Überraschung. Das von den Vereinten Nationen beauftragte wissenschaftliche Gremium ist sich sicher, dass die Risiken und Folgen des Klimawandels mit zunehmender globaler Erwärmung eskalieren werden. Und das 1,5°-Ziel zu erreichen, müssen die Emissionen bis 2030 und 2035 um mindestens 43% und 60% gegenüber dem Niveau von 2019 gesenkt werden. Schon jetzt hat sich die Atmosphäre den letzten Zahlen zufolge um 1,1 °C erwärmt. Nach aktuellen Schätzungen sind es im Durchschnitt bereits etwa 1,2 oder 1,3 °C.1
Die gute Nachricht ist, dass das IPCC versichert, dass alle für die Bekämpfung notwendigen Technologien bereits zur Verfügung stehen. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die breite Umsetzung von Massnahmen in allen Sektoren Wirkung zeigt: mehr erneuerbare Energie, Elektrofahrzeuge und jetzt auch grüner Wasserstoff, der beispielsweise auch grünen Ammoniak, grünen Stahl, grünen Schiffstransport und noch mehr ermöglichen könnte. Belege gibt es auch für den zunehmenden Einsatz all dieser Neuerungen. So wird in der Luftfahrt mehr nachhaltiger Treibstoff verwendet, als man erwartet hatte, und die Technologien in der Batteriechemie werden immer ausgefeilter.
Hinzu kommt, dass in den meisten Modellierungen der Energiewende die massiven Veränderungen nicht berücksichtigt sind. Sie ignorieren die historisch belegte Tatsache, dass sich Wandel immer exponentiell vollzieht, und legen konventionelle Annahmen zur Ausbreitung neuer Technologien zugrunde. Die wichtigsten Technologien liegen auf der Hand: Elektrofahrzeuge, Batterien, Sonnenkollektoren und Windturbinen, Wasserstoff und Biotreibstoffe. Weltweit steigt der Absatz von Elektrofahrzeugen erheblich. Offensichtlich ist das Ende der Verbrennungsmotoren in Sicht.
Tatsächlich ist der technologische Fortschritt keine lineare Entwicklung. Durch ihn wird die Kostenkurve flacher, sodass CO2-arme oder -freie Technologien effizient sind und Marktanteile gewinnen werden. Eine Besonderheit des Kampfes gegen den Klimawandel ist das wachsende Vertrauen in Technologien, die für weniger Treibhausgase sorgen oder sie sogar ganz verhindern. Zugleich steigen aber auch die Risiken, dass wir früher als erwartet Punkte erreichen, an dem Teile unseres Ökosystems kippen.
Hindernisse sind noch immer mangelnder politischer Wille, fehlende Zulassungen innovativer Technologien, technologische Grenzen (die ein Problem bleiben dürften) und die ungenügende Infrastruktur. Um sie zu lösen, sind enorme Investitionen nötig – aus unserer Sicht zunehmend auch aus dem privaten Sektor. Gut ist aber, dass politische Initiativen wie der CHIPS Act und der Inflation Reduction Act in den USA sowie der NextGenerationEU-Rahmen der Europäischen Union Investitionen bereits erheblich fördern und dies auch weiter tun dürften.
Biodiversität gerät in den Blickpunkt
In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für Risiken im Zusammenhang mit dem Artensterben deutlich gestiegen. Etwa eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht, manche von ihnen in den nächsten Jahrzehnten. Eine der wichtigsten Ursachen ist die Erderwärmung.2 Der 2022 Living Planet Report des World Wildlife Fund unterstreicht, dass die weltweiten Wildtierbestände seit 1970 um durchschnittlich 69% zurückgegangen sind. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, um das Artensterben umzukehren.3
Wichtigste Ursache der Entwaldung und damit auch des Artensterbens ist die zunehmende Nutzung von Land für die Agrarwirtschaft. Aus der Fischerei wissen wir, dass etwa zwei Drittel aller befischten Arten entweder überfischt oder bereits ausgestorben sind.4 Wenn wir unser Konsumverhalten nicht ändern, werden wir unsere Biodiversitätsziele nicht erreichen.
Klimawandel und Artensterben sind eng miteinander verknüpft, und beide sind die Folge menschlichen Handelns. Zugleich bedrohen beide über Faktoren wie Entwaldung, Umweltverschmutzung, Verzehr von Wasserressourcen, die immer schlechteren Ernten und die nachlassende Bodenqualität die Existenz des Menschen.
Wenn wir nicht entschlossen handeln, könnte sich Analysen zufolge die Zahl der Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen, durch Klimakatastrophen bis 2050 auf jährlich über 200 Millionen verdoppeln.5
Aber Zahlen wie diese lösen auch bei Unternehmen ein Umdenken aus. Sie analysieren die Probleme, können immer besser über die Folgen ihrer Geschäftstätigkeit berichten und arbeiten mit Investoren zusammen. Das Thema ist weniger konkret als der Klimawandel, für den es klare Messgrössen gibt (z. B. die CO2-Intensität), aber Initiativen wie die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures dürften bald einen vergleichbaren Rahmen für die Berichterstattung über die Folgen des Artensterbens zur Verfügung stellen.
Beim COP15 im letzten Dezember standen die Ziele für Entwaldung, Folgen der Landnutzung und Trinkwasser-Ökosysteme im Mittelpunkt. Die Aufmerksamkeit liegt vor allem auf der Agrarwirtschaft, deren gesamte Wertschöpfungskette mit die meisten Treibhausgasemissionen und die gravierendsten Auswirkungen auf Landnutzung und Ressourcenverzehr hat. Dies ist ein echter Wendepunkt, da nun entsprechende Makrodaten vorliegen, die zur Erhaltung und Wiederherstellung von Artenvielfalt und Natur beitragen können. Die Frage ist nur, wie diese Daten am besten zu nutzen sind, und was das für einzelne Sektoren und Unternehmen bedeutet.
Die Herausforderung für uns als Investoren ist, vorbildliches Verhalten in allen Bereichen der Wertschöpfungskette zu erkennen und die Technologien und Innovationen zu fördern (Proteinersatz, alternative Schädlingsbekämpfungsmittel, grüne Energie, nachhaltiger Transport und umweltfreundliche Verpackung), die helfen, die Biodiversitätsziele zu erreichen.
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