Schlecht geölt
Im Überblick:
- Mit seinen vorsichtigen Aussagen konnte Jerome Powell die Anleihenmärkte nicht bremsen.
- Hohe Ölpreise bei zugleich starkem US-Dollar: Für die europäische Inflation ist das ein „Doppelschlag“.
- Wir gehen davon aus, dass auf der Sitzung des EZB-Rats nicht viel passiert.
Trotz der zurückhaltenden Worte von Jerome Powell letzte Woche lagen die langfristigen US-Renditen am Freitag noch immer bei nahezu 5%. Nach den Aussagen des Fed-Chefs sind zwar die Erwartungen für die Fed Funds bis zum Jahresende zurückgegangen, aber lang laufende US-Treasuries scheinen sich von der kurzfristigen Geldpolitik abgekoppelt zu haben. Vielleicht haben die Märkte realisiert, dass der neutrale US-Leitzins jetzt höher ist als früher. Dann würde die Fed die Langfristrenditen weniger gut steuern können.
Die US-Wirtschaft ist so stabil, dass sie sogar auf internationale Energieschocks weniger stark reagiert. Natürlich haben höhere Ölpreise Konsequenzen für US-Verbraucher, aber seitdem die USA ein Nettoexporteur fossiler Brennstoffe sind, führen steigende Preise – anders als im Euroraum – nicht mehr zur Verschlechterung der Terms of Trade. Auch deshalb hat sich die Korrelation zwischen Ölpreisen und Dollarkurs umgekehrt. Bislang war sie negativ: Bei steigenden Ölpreisen wertete der US-Dollar ab. Jetzt ist sie positiv: Der US-Dollar wertet trotz höherer Ölpreise auf. Das belastet die europäische Wirtschaft zusätzlich. Ein starker Dollar lässt den energiekostengetriebenen Inflationsdruck noch weiter steigen.
Ein weiterer Sprung der Ölpreise nach oben würde den Euroraum in einer ungünstigen Phase treffen. Seine energieintensiven Sektoren haben sich noch nicht wieder erholt. Ihr Leistungsniveau ist noch immer niedriger als vor der Pandemie. In den USA ist das anders. Dies zeigt, wie wichtig es ist, den Verbrauchern mehr Klarheit über ihre Energiekosten zu verschaffen. Die in der letzten Woche erzielte Vereinbarung über die Reform des EU-Strommarktes ist ein Fortschritt.
Wir gehen davon aus, dass die EZB auf ihrer Sitzung diese Woche ihren Leitzins nicht ändert. Nach dessen Anhebung um 25 Basispunkte im September hatte sie eindeutig eine Zinspause signalisiert. Ausserdem will sie auf keinen Fall für Unruhe sorgen – auch nicht beim Thema Bilanzsumme. Eine Anpassung des Mindestreservesatzes schliessen wir dennoch nicht aus.
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