Ungewissheit
Die überraschende Entscheidung des französischen Präsidenten, vorgezogenen Wahlen auszurufen, hat nicht nur die französischen Märkte getroffen. In Frankreich, aber auch in den europäischen Peripherieländern haben sich die Staatsanleihenspreads ausgeweitet. Kurzfristig besteht keine existenzielle Gefahr für die Währungsunion – die rechtsextreme Rassemblement National, die nach ihrem Sieg bei den Europawahlen in den Umfragen klar an der Spitze steht, betreibt nicht mehr den Austritt Frankreichs aus dem Euroraum – aber es besteht grosse Unsicherheit, welche gesamtwirtschaftlichen Folgen das Ergebnis am 7. Juli haben könnte. Schliesslich haben sowohl die extreme Rechte als auch die linke Allianz verschwenderische Haushaltspläne, während die um ihre Mehrheit kämpfenden amtierenden politische Mitte einen konventionelleren Weg beschreiten will. Wir erläutern unseren Lesern die Besonderheiten des französischen Wahlsystems und die staatlichen Institutionen des Landes. Auf Grundlage einiger relevanter Umfragen ist ein Parlament ohne klare Mehrheit das wahrscheinlichste Szenario. Wir analysieren, wie Frankreich in diesem Fall regiert werden könnte. Insbesondere gehen wir darauf ein, wie ein Haushalt verabschiedet werden kann, denn angesichts der jüngsten Herabstufung der französischen Staatsanleihen durch S&P ist das eine besonders drängende Frage. Frankreich hat mehr Möglichkeiten als die USA, „Government Shutdowns“ zu verhindern. Dennoch braucht es eine eindeutige Mehrheit, um die umfangreichen zusätzlichen Massnahmen umzusetzen, die das französische Haushaltsstabilisierungsprogramm vorsieht. Ausserdem haben wir das nach den Umfragen zweitwahrscheinlichste Szenario untersucht, eine von der Rassemblement National geführte Regierung. Die Folgen hängen massgeblich davon ab, ob sich eine solche Regierung vor allem mit sozialen und kulturellen Themen befasst und mit der Finanzpolitik wenig experimentiert („Meloni-Modell“) oder ob sie versuchen würde, ihr verschwenderisches Wahlprogramm von 2022 umzusetzen.
Auch darüber, was die EZB tun könnte, wenn die Spreads noch weiter würden, wurde bereits diskutiert. Das könnte einen Krach in Brüssel auslösen. Tatsächlich müsste Frankreich nämlich die EU-Haushaltsvorgaben einhalten, damit die EZB ihr TPI einsetzen kann, und das ist für eine populistische Regierung immer ein Problem. Im Moment bietet der Rückgang der langfristigen Renditen in den USA und weltweit nach einem weiteren Monat mit guten US-Inflationsnachrichten ein wenig Schutz. Unabhängig davon wird der Erfolg der populistischen Parteien in Frankreich und Europa auf jeden Fall Auswirkungen auf die Politik in Brüssel haben, was das weitere Vorgehen der EU-Kommission beim Handel mit China verkomplizieren wird.
Rechtliche Hinweise