Wenn die besten Pläne scheitern
Sowohl die Fed als auch die EZB lockern ihre Geldpolitik, gehen dabei aber unterschiedlich vor. Während die Fed entschlossen und präventiv agiert, wählt die EZB einen vorsichtigen datenabhängigen Ansatz und entscheidet von Sitzung zu Sitzung. Allerdings hat der US-Arbeitsmarktbericht weitere Belege geliefert, dass die amerikanische Konjunktur nur allmählich nachlässt, und Christine Lagarde signalisierte in ihrer letzten Rede vor dem europäischen Parlament die Bereitschaft für mehrere Zinssenkungen hintereinander. Die Mitglieder des EZB-Rats – selbst die Falken – sind zunehmend besorgt wegen der immer schwächeren Realwirtschaft.
Nach dem Arbeitsbericht ist eine Senkung des US-Leitzinses um 50 Basispunkte im November aus unserer Sicht vom Tisch. Da aber der Offenmarktausschuss der Fed bereit ist, auch dann vorbeugende Entscheidungen zu treffen, wenn es keine augenfälligen Zeichen für einen Konjunkturabschwung gibt, halten wir weitere Senkungen um jeweils 25 Basispunkte und ein langfristiges Zinsziel über dem langfristigen Durchschnitt für das wahrscheinlichste Szenario – solange sich die Inflation in Grenzen hält. Zugleich denken wir aber nach wie vor, dass es vor den Wahlen schwer ist, mit auch nur irgendwie akzeptabler Genauigkeit zu sagen, wie die US-Zinspolitik im Jahr 2025 aussehen wird. Dazu liegen die Auswirkungen des Wahlausgangs auf die Inflationsrisiken zu weit auseinander. Diesseits des Atlantiks halten wir es für am wahrscheinlichsten, dass die EZB ihren Leitzins von jetzt an auf jeder Sitzung um jeweils 25 Basispunkte senken wird – bis Juni 2025, wenn die neutrale Rate (von etwa 2%) erreicht ist. Ohne eine „klare“ Rezession wird die Zentralbank keine expansive Geldpolitik betreiben. Und die kann noch immer vermieden werden.
Ausserdem haben wir die Schweiz unter die Lupe genommen. Die EZB würde sich tatsächlich noch etwas Luft lassen, um im Fall einer schweren Rezession nicht zu unkonventionellen Massnahmen greifen zu müssen. Diesen Luxus hat die Schweizer Nationalbank nicht. Sie müsste möglicherweise ihre Bilanzsumme mittels massiver Währungseingriffe erneut künstlich erhöhen, sobald der geringe Spielraum für Zinssenkungen ausgeschöpft ist.
Rechtliche Hinweise