Wie neue Regulierungen helfen, das Bewusstsein für Biodiversität zu stärken
Im Überblick:
- Biodiversität ist ein äußerst komplexes Thema mit zahlreichen möglichen Maßnahmen und Auswirkungen. Das spiegelt sich auch in den Regulierungen wider.
- Von der Convention on Biological Diversity bis hin zum Global Biodiversity Framework und einer Reihe von Maßnahmen auf EU- und Länderebene werden die Vorschriften – und die ihnen zugrunde liegenden Definitionen und Daten – immer robuster.
- Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzt und die am besten vorbereiteten Unternehmen und Investoren davon profitieren werden.
Anlagen, die ökologische, soziale und governancebezogene Faktoren (ESG) berücksichtigen, haben schon immer auch etwas mit der Politik zu tun. So wie immer mehr Investoren die möglichen finanziellen Auswirkungen des Klimawandels erkennen, stellen auch die Aufsichtsbehörden immer höhere Anforderungen, die die Bedenken berücksichtigen und die finanziellen Auswirkungen auf die Assetpreise verstärken können. Für die Biodiversität gilt dasselbe: Regulierungen spiegeln und fördern Entwicklungen, ebenso wie unser wachsendes Verständnis für ihre wirtschaftliche Bedeutung.
Die Biodiversität ist ein äußerst komplexes Thema mit zahlreichen Aspekten und einer Fülle von möglichen Lösungen und Folgen. Deshalb sind auch die Reaktionen der Aufsichtsbehörden vielschichtig. Sie beruhen auf jahrzehntealten globalen Richtlinien, verstärkt durch neue lokale Initiativen und gefördert durch immer mehr Möglichkeiten für Investoren und Unternehmen, ihren Einfluss auf die Artenvielfalt zu messen. Im Folgenden nennen wir fünf wichtige Richtlinien und Standards, die die Reaktion von Unternehmen und Investoren auf das Artensterben maßgeblich bestimmen.
Convention on Biological Diversity
Die Convention on Biological Diversity (CBD) ist die Basis der globalen Antwort auf das Artensterben – ein internationales rechtliches Instrument aus den frühen 1990er-Jahren, das von allen UN-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme der USA ratifiziert wurde.1 Seit seiner Einführung hat es etwas an Bedeutung verloren. Aber seit ein paar Jahren gewinnt es wieder an Einfluss, weil das Thema immer stärker in den Vordergrund tritt. Das Ziel der CBD ist, Länder bei der Entwicklung nationaler Strategien zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Artenvielfalt zu unterstützen.
Die CBD wurde um zwei weitere Vereinbarungen ergänzt: das Cartagena-Protokoll aus dem Jahr 2000, das den grenzüberschreitenden Transport gentechnisch veränderter Organismen regelt, und das Nagoya-Protokoll aus dem Jahr 2010, das die faire Nutzung und Verteilung genetischer Ressourcen wie Medikamente aus einheimischen Pflanzen sicherstellen soll.
Die CBD enthält die von den Unterzeichnern vereinbarten Definitionen von Begriffen wie Biodiversität, Ökosysteme und Lebensräume und klärt, was mit einer „nachhaltigen Nutzung“ natürlicher Ressourcen gemeint ist. Ein weiterer Punkt ist der Aufruf zu einer internationalen Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen und Anreizen. Dabei stellt die CBD die Bedeutung möglicher finanzieller Mechanismen zur Unterstützung globaler Naturschutzziele in den Mittelpunkt.
Global Biodiversity Framework
Diese Vereinbarung wurde auf der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 im Dezember 2022 getroffen und stärkt die von der CBD festgelegten globalen Standards für Biodiversität. Sie bietet Ländern, Unternehmen und Finanzinstituten Leitlinien zu den gemeinsamen Zielen und zu den Maßnahmen, die für deren Erreichung getroffen werden müssen.2 Bekannt als Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) wurde die Vereinbarung von 196 Ländern unterzeichnet, die sich verpflichtet haben, „die dringend notwendigen Maßnahmen zur Beendigung und zur Umkehr des Artensterbens“ bis 2030 zu treffen. Insbesondere sollen bis dahin 30% der Land- und Meeresfläche der Erde Schutzgebiete sein.
Das GBF ist nicht bindend, aber wir gehen davon aus, dass es die Grundlage für politische Maßnahmen sein wird, die Auswirkungen für Unternehmen und Investoren haben werden. Die Länder, die das GBF unterzeichnet haben, wollen sich Ziele für die Umsetzung der Richtlinie setzen. Sie müssen Fortschrittsberichte vorlegen und ihre nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne entsprechend aktualisieren.
Deshalb wird das GBF aus unserer Sicht die Verbesserung und die Einführung von Indikatoren für die Bekämpfung des Artensterbens beschleunigen und für eine globale Harmonisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Richtlinien im Zusammenhang mit nachhaltigen Finanzen sorgen. Besonders wichtig für Investoren ist, dass wir davon ausgehen, dass zunächst Unternehmen, später auch Finanzinstitute verpflichtet werden, Umweltberichte sowie -daten zu veröffentlichen. Irgendwann dürften auch die Festlegung von Biodiversitätszielen und obligatorische Prüfungen folgen. Nach dem GBF sollten ausdrücklich auch Finanzunternehmen entsprechende Berichte erstellen.
Investoren, vor allem Pensionsfonds und Versicherer, sollten sich schnell an dieses neue Umfeld anpassen. Die GBF-Ziele sollen in nur sieben Jahren erfüllt sein, und wir meinen, dass institutionelle Investoren sehr schnell dafür sorgen sollten, dass ihre Portfolios entsprechend strukturiert sind. Die ersten Ergebnisse der Maßnahmen zur Erfüllung der Ziele des GBF sollen auf der nächsten UN-Biodiversitätskonferenz COP16 im Jahr 2024 in der Türkei vorgestellt werden.
Taskforce on Nature-related Financial Disclosures
Die Schwesterinitiative der Taskforce on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) stellt neue Anforderungen an Unternehmen. Sie sollen die Biodiversitätsrisiken ihrer Aktivitäten erkennen und darüber berichten.3 Die endgültige Fassung wird für diesen September erwartet.
Die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) und die Leitlinien der Initiative Science Based Targets for Nature dürften maßgeblich dafür sein, welche Daten und Berichte im Zuge der Einhaltung der GBF-Zusagen veröffentlicht werden müssen. Einheitliche, bindende Indikatoren zur Biodiversität sind nach wie vor eine schwierige Aufgabe. Und sie werden vermutlich auch immer komplexer sein als entsprechende Vorgaben im Klimabereich, wo Kohlenstoffemissionen und -intensität nützliche umfassende Größen sind.
AXA Group, die Muttergesellschaft von AXA IM, war 2020 einer der Initiatoren der TNFD. Diese von Branchenführern geleitete Gruppe wird einen Rahmen für Risikomanagement und -berichterstattung entwickeln, an dem sich Unternehmen beim Reporting und Umgang mit den sich verändernden Umweltrisiken orientieren können. Diese Leitlinien werden vermutlich von sehr vielen Unternehmen genutzt, vor allem aber von Finanzinstituten, mit dem Ziel, die Kapitalflüsse so zu steuern, dass sie der Umwelt nicht mehr schaden, sondern nutzen.
Mit einem gemeinsamen Standard für Umweltfolgen, Abhängigkeiten, Chancen und Risiken für Finanzunternehmen dürfte die TNFD Anreize bieten, die negativen Auswirkungen für die Umwelt zu mindern und eine Verschiebung hin zu einem weniger umweltschädlichen Wirtschaften weltweit zu fördern. Wie die TCFD ist auch die TNFD eine Brancheninitiative, die Regierungen von Ländern oder Regionen zu gegebener Zeit nutzen könnten.
Die EU-Offenlegungsverordnung für Finanzunternehmen
CBD und GBF sind nicht bindend, aber die Regeln der EU schreiben mehr Transparenz am Markt für nachhaltige Investmentprodukte vor und enthalten auch explizite Vorschriften zu Biodiversitätsrisiken.
Mit dem bindenden Indikator Principal Adverse Impact (PAI) der EU-Offenlegungsverordnung für Finanzunternehmen (SFDR) zu diesem Thema müssen Unternehmen über Aktivitäten berichten, die der Artenvielfalt schaden könnten. Er ist einer von 18 PAIs und soll zur Lösung der Probleme im Zusammenhang mit Biodiversitätsdaten beitragen, indem er einen praktischen Ansatz vorgibt: die Berechnung des Anteils der Investitionen in Unternehmen, die Standorte in oder in der Nähe von Gebieten mit einer gefährdeten Artenvielfalt haben oder der Biodiversität direkt schaden.
Die SFDR ist nicht das einzige Instrument der EU zur Eindämmung des Artensterbens. Die Gemeinschaft plant darüber hinaus, bis 2030 den Einsatz von Pestiziden zu halbieren und bis 2050 80% der geschädigten Lebensräume in Europa wiederherzustellen. Hinzu kommt der Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung der globalen Entwaldung und der Walddegradation.4 5
Außerdem haben die Experten für nachhaltige Finanzen der Europäischen Kommission kürzlich eine Konsultation zum Entwurf technischer Empfehlungen für die nicht klimabezogenen Umweltziele der EU-Taxonomie grüner Aktivitäten veröffentlicht.6 Zu diesen Zielen zählt auch der Artenschutz. Wir gehen davon aus, dass die EU-Taxonomie, die ein Klassifizierungssystem für die Behauptungen positiver Umweltauswirkungen vorsieht, künftig eine wichtige Rolle für die Definition umweltfreundlicher Geschäftsaktivitäten spielen wird.
Artikel 29 in Frankreich
Ein gutes Beispiel dafür, wie diese globalen und supranationalen Bemühungen auf Länderebene umgesetzt werden können, sind die Regulierungen in Frankreich, vor allem Artikel 29 des Energie-Klima-Gesetzes. Er schreibt französischen Finanzinstituten vor, ihre Strategie zur Eindämmung ihrer Auswirkungen auf die Artenvielfalt detailliert zu beschreiben, einschließlich klarer Ziele und Erklärungen, wie diese Bemühungen mit der CBD in Einklang stehen.
Zudem sind sie verpflichtet, die Auswirkungen von Investments auf die Biodiversität zu untersuchen und offenzulegen, wie Investments diese Auswirkungen im Einklang mit der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) sowie globalen Zielen und Leitlinien wie der CBD mindern können. Dazu erlaubt Artikel 29 Finanzinstituten gegebenenfalls die Nutzung eines Indikators für den Biodiversitäts-Fußabdrucks.7 Außerdem müssen sie berichten, wie sie bei ihrem Aktionärsengagement und ihren Stewardship-Aktivitäten das Thema Biodiversität berücksichtigen.
In puncto Klimaberichterstattung könnte Frankreich der Vorreiter sein, und wir gehen davon aus, dass viele der in Artikel 29 beschriebenen Anforderungen in die Gesetze anderer Länder einfließen werden.
Ein gemeinsames Ziel
Das Zusammenspiel dieser Initiativen, Leitlinien und Regulierungen ist im Fluss. Bislang gibt es für Investoren nur wenige bindende Vorschriften, aber viel spricht dafür, dass es bald auch für uns politische und aufsichtsrechtliche Richtlinien geben wird, die verlangen, dass wir die Auswirkungen unserer Aktivitäten auf die Biodiversität klären und erklären müssen.
Wichtig ist, dass diese Entwicklungen – neben der Verknüpfung des Themas Biodiversität mit mindestens fünf UN-Nachhaltigkeitszielen – aus unserer Sicht schon jetzt dazu beigetragen haben, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen einen Wandel vollziehen können, den Investoren möglicherweise unterstützen wollen. Das Bewusstsein wächst, dass wir alle belastbare Daten und Messmethoden benötigen, die am Ende Investmententscheidungen beeinflussen können. Aus unserer Sicht könnte die bessere Kenntnis und Messbarkeit der von uns verursachten Umweltfolgen Akteuren zugutekommen, die aktiv einen Wandel zu mehr Umweltfreundlichkeit vollziehen, und Investoren begünstigen, die sich die Zeit nehmen, Kompetenz aufzubauen und die Artenvielfalt bei ihren Anlageentscheidungen zu berücksichtigen.
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