
Atempause
- 25 April 2025 (5 Minuten Lesezeit)
Eines scheint sicher: Präsident Trump will keine grosse Wirtschafts- und Finanzkrise. Deshalb ist er von seiner Extremposition beim Thema Zölle abgerückt und will nach dem Aktien- und Anleihenmarkteinbruch auch Notenbankchef Jerome Powell nicht mehr entlassen. Wir kennen aber auch Trumps Sprunghaftigkeit, die die amerikanische Politik unberechenbar gemacht hat. Jederzeit ist der Präsident für eine Überraschung gut, die einen neuen Ausverkauf auslöst. Sicher ist auch, dass Trumps Zölle der Wirtschaft schaden, in den USA wie weltweit, und dass sich das immer deutlicher zeigt. Einstweilen sorgen vor allem Stimmung (der Einbruch des Konsum- und Geschäftsklimas) und Markttechnik (der massive Risikoabbau am US-Staatsanleihenmarkt) für Volatilität. Irgendwann werden aber wieder Wachstum und Bewertungen zählen. Die Konjunktur lässt nach, und zumindest US-Titel sind keineswegs billig. Also raus aus den USA? Seit letzter Woche mag das nicht mehr in dem Masse gelten wie zuvor, aber der Trump-Schock ist noch nicht vorbei.
Zwischenbilanz
Nur selten mussten Marktteilnehmer mit so viel Unsicherheit leben wie seit Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt. Sie sorgte für Marktvolatilität, liess Anleger an der amerikanischen Sonderstellung zweifeln, dämpfte den Konjunkturausblick und trieb die Inflationserwartungen. Die Unsicherheit lähmt Investoren wie Unternehmen – und Washingtons Sprunghaftigkeit macht es nicht besser. Es fällt schwer, ein Szenario zu entwickeln, auf dem man eine Anlagestrategie aufbauen kann. Aber es ist nie verkehrt, Bilanz zu ziehen.
Höhere Zölle, selbst bei „Deals“
Die am 2. April bekannt gegebenen „reziproken“ Zölle wurden zwar erst einmal wieder ausgesetzt, doch dürften US-Importe demnächst wesentlich stärker belastet werden als vor dem sogenannten Liberation Day. Ich muss an dieser Stelle nicht noch einmal erklären, warum Zölle schlecht für Wachstum und Preisstabilität sind. Die meisten Auguren haben ihre Wachstumsprognosen für die USA und die Weltwirtschaft gesenkt, diese Woche auch der Internationale Währungsfonds. Schon lange schreiben wir, dass eine Rezession wahrscheinlicher geworden ist. Meist fallen in der Rezession Gewinnmargen und Nettogewinne – und die laufende Berichtssaison liefert erste Hinweise darauf, dass Unternehmen einen Teil der Zölle übernehmen und dies ihre Margen dämpft. Ich glaube, dass US-Aktien ohne einen deutlich klareren (und besseren) Konjunkturausblick ihre alten Hochs kaum wiedersehen werden, und auch die amerikanischen Credit Spreads werden dann wohl kaum wieder so eng wie im Januar und Februar. Verluste mit amerikanischen Wertpapieren sind alles andere als unwahrscheinlich.
Rückzug
Wir rechnen also künftig mit höheren Zöllen, mit allen Konsequenzen für Wachstum und Preisstabilität. Wir wissen aber auch, dass Trump besonders extreme Positionen aufgibt, wenn sich die Märkte gegen ihn wenden. Das 90-tägige Moratorium war die Reaktion auf den Aktienausverkauf, und der Anleihenmarkt hat ihn schliesslich zu dem Gelöbnis veranlasst, Notenbankchef Powell nicht zu entlassen – so sehr Trump ihn in den sozialen Medien auch angreift und Zinssenkungen fordert. Vielleicht hat der Präsident doch einige weise Berater – und vielleicht erkennt er sogar selbst, was massive Verkäufe amerikanischer Wertpapiere und des Dollar anrichten können, in der Wirtschaft wie an den Märkten. Extreme Präsidentenerlasse und entsprechende Marktreaktionen sind erst einmal unwahrscheinlicher geworden. Ein wendiger Anleger könnte daraus schliessen, dass man nach einem starken Ausverkauf einsteigen soll – in der Hoffnung auf eine kurze Erholungsrallye, wenn das Weisse Haus zurückrudert. Die Betonung liegt aber auf wendig und kurz. Das Umfeld ist heute schlechter als 2023 und 2024, als der S&P 500 um über 20% zulegte. Es ist kaum denkbar, dass Trump überall zum Rückzug bläst – bei den Zöllen, beim DOGE und bei seinen Angriffen auf die Fed –, denn dann bliebe von „Make Amerika Great Again“ nicht mehr viel übrig. Vor den Zwischenwahlen im nächsten Jahr würde ihm das politisch schaden.
Mandat erfüllt
Jerome Powell sitzt erst einmal fest im Sattel. Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob er gute Arbeit leistet. Aber wenn die Märkte eines hassen, dann ist es politische Einmischung in die Geldpolitik. Die Fed mag nicht perfekt sein, aber Anleger haben dafür Verständnis und kennen ihre für die Risikoprämien so wichtige Reaktionsfunktion. Bei Einmischungen in die Geldpolitik können die Zins- und Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen, was niemand will. Die Fed hat ihr doppeltes Mandat nahezu erfüllt. Die Arbeitslosigkeit liegt nur knapp unter der NAIRU – der Non-Accelerating Inflation Rate of Unemployment, also der niedrigsten Arbeitslosenquote, bei der die Inflation nicht steigt –, und die PCE-Kern-inflation notiert nur knapp über 2%. Normalerweise würde die Fed dann so lange bei ihrer leicht restriktiven Geldpolitik bleiben, bis die Inflation weiter fällt. In nächster Zeit könnten aber schwächeres Wachstum und eine höhere Arbeitslosenquote die Notenbank zu Zinssenkungen veranlassen, zumal sie bisher meist stärker auf eine höhere Arbeitslosigkeit als auf eine höhere Inflation reagiert hat. Die Zinsstrukturkurven dürften daher noch steiler werden. Anleihen versprechen ordentliche Erträge, unabhängig von ihrer Laufzeit.
Wichtig, wichtiger, US-Staatsanleihen
Trotz der höheren Volatilität sind die US-Staatsanleihenrenditen noch immer ähnlich hoch wie letztes Jahr. Der ICE US Treasury Index hat seit Jahresbeginn um 3% zugelegt. Die grosse Katastrophe blieb aus, die Verkäufe ausländischer Investoren hielten sich bislang in Grenzen. Viel wurde darüber geschrieben, wie selten die US-Renditen steigen und zugleich der Dollar fällt. Diesmal war jedenfalls die Dollarabwertung spürbar. Alle anderen grossen Währungen haben gegenüber der US-Währung aufgewertet, was für eine gewisse Repatriierung von Kapital in die Gläubigerländer spricht. Wenn die Zölle am Ende so hoch sind, dass das Rezessionsrisiko in den USA deutlich steigt und das Geschäfts- und Konsumklima drastisch einbricht, aber amerikanische Aktien und Unternehmensanleihen noch immer teuer sind, könnte der Dollar weiter nachgeben. Hinzu kommt, dass die amerikanischen 30-Jahres-Renditen seit über drei Jahren steigen und lang laufende US-Staatsanleihen gegenüber Swaps immer billiger werden. Die Risikoprämie von US-Staatsanleihen zeigt, wie unsicher die politische und wirtschaftliche Lage ist.
Die volatile Woche nach Trumps Liberation Day zeigte eindrucksvoll, wie wichtig der amerikanische Staatsanleihenmarkt ist. Hier werden die weltweiten Risikoprämien bestimmt, hier finden alle Arten von Absicherungs- und Finanzierungsgeschäften statt, und hier werden gehebelte Investitionen vorgenommen. Volatile US-Staatsanleihen richten grossen Schaden an. Bis jetzt gibt es zwar nur wenige Opfer, doch wenn Trump beim Dollar, bei der Fed oder bei den Staatsfinanzen weiter so verantwortungslos handelt wie bisher, könnte ein neuer Markteinbruch schwerwiegendere Folgen haben. Einstweilen profitiert man mit einer überdurchschnittlichen Duration aber vom wohl nachlassenden Wirtschaftswachstum, solange politische Schocks ausbleiben. Wenn man dann noch in kurz laufende inflationsindexierte Anleihen investiert, kann man eine durch die Zölle ausgelöste Stagflation gleich doppelt nutzen.
Ineffiziente Aktienmärkte
Konsens ist, dass der durchschnittliche Gewinn je Aktie des S&P 500 dieses Jahr 265 US-Dollar betragen wird. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis läge dann immer noch über 20 – und wäre im Länder- wie im Vergangenheitsvergleich hoch. Die Analysten senken aber ihre Prognosen, sodass das derzeitige Kursniveau möglicherweise nur schwer zu halten ist. In den Gewinnmitteilungen der Unternehmen war bis jetzt viel von der Unsicherheit durch Trumps Zollpolitik die Rede – und ihren möglichen Auswirkungen auf Lieferketten, Auftragseingänge und Investitionen.
Bei Kurseinbrüchen von 10% und mehr hat man auf 12-Monats-Sicht meist verdient. Wenn das schlimmste Szenario – eine Rezession aufgrund von Trumps „America First“ – vermieden wird, könnte uns eine Baisse wie in den frühen 2000ern oder nach der internationalen Finanzkrise erspart bleiben. Konkret: Der Markt hat zwar heftig korrigiert, aber US-Aktien sind noch nicht billig, und der Konjunkturausblick hat sich verschlechtert. Noch ist es zu früh, um wieder beherzt einzusteigen. Noch sind die langfristigen Folgen der Trump’schen Politik nicht in den Kursen berücksichtigt, und die Risikoprämien sind noch immer zu niedrig.
High Yield wieder attraktiver
Auch die Credit Spreads haben sich letzte Woche wieder verengt. Seit der Aussetzung der Zölle verzeichneten sowohl Investmentgrade-Anleihen als auch High Yield Mehrertrag. Der Spread des High Yield Index liegt zurzeit knapp unter 400 Basispunkten, bei etwa 7,8% Indexrendite. Die Ausfallrisiken sind zwar gestiegen, aber der derzeitige Spread scheint einen ausreichenden Puffer zu bieten. Seit 2000 hat man bei Spreads von 400 bis 450 Basispunkten mit High Yield im Schnitt leichte Mehrerträge gegenüber Staatsanleihen erzielt, und das weitgehend unabhängig von der Haltedauer. Bei Gesamtrenditen von 8,0% bis 8,5% lag der 1-Jahres-Ertrag im Schnitt bei etwa 11%. Bei einer weiteren leichten Marktkorrektur wären die Ertragserwartungen höher.
Aktien können fallen, Spreads können sich ausweiten. Bei einer weiteren Korrektur des S&P 500 um 10 Prozentpunkte würden die High-Yield-Spreads vermutlich um 100 bis 150 Basispunkte steigen. Bei Spreads zwischen 500 und 550 Basispunkten hat man auf Jahressicht im Schnitt etwa 500 Basispunkte Mehrertrag gegenüber Staatsanleihen erzielt. Eine Rendite von 9,0% oder mehr könnte daher ein guter Einstiegszeitpunkt für High Yield sein. Höhere Renditen bedeuten allerdings auch höhere Kreditrisiken, weshalb gerade hier Diversifikation und Flexibilität wichtig sind.
Mehr als ein Kurseinbruch
Seit Trumps Liberation Day sind jetzt drei Wochen vergangen. Offensichtlich haben die meisten Märkte zwar heftig reagiert, sich aber wieder gefangen. Bei Börsenschluss am Donnerstag (24. April) notierte der S&P 500 10% über seinem Tief vom 8. April. Die Zehnjahresrenditen sind seit dem 11. April um 20 Basispunkte gefallen, die Credit Spreads haben sich um 15 Basispunkte (Investmentgrade) bzw. 88 Basispunkte (High Yield) verengt. Die Verluste halten sich daher in Grenzen, vor allem, weil Trump keinen Marktzusammenbruch riskieren wollte. Dennoch darf man den angerichteten Schaden nicht unterschätzen. Trumps Sprunghaftigkeit hat die US-Politik zur Farce gemacht, und die anhaltende Unsicherheit erfordert höhere Risikoprämien, vor allem aus Sicht internationaler Investoren. Und schlimmer noch: Unternehmen fürchten die Folgen all dessen für die Nachfrage und den Gewinnausblick. Der Trump-Schock ist noch nicht vorbei. Noch ist keineswegs auszuschliessen, dass Konjunktur, Bewertungen, Stimmung und Markttechnik in den USA massiv einbrechen.
Performancedaten/Quellen: LSEG Workspace Datastream, ICE Data Services, Bloomberg, AXA IM, Stand 24. April 2025, falls nicht anders angegeben. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Hinweis auf künftige Erträge.
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