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Jahresausblick

Chief Economist: Unterschiede

Im Überblick
Wachstum sowie Geld- und Haushaltspolitik in den wichtigsten Wirtschaftsregionen sind unterschiedlich.
Wichtig ist, welche seiner „Wahlversprechen“ Trump wirklich umsetzt.

Drei Gründe für die Unterschiede

2025 könnte das Jahr der Unterschiede zwischen den grossen Wirtschaftsregionen der Welt werden. In jeder davon sind Wachstum, Haushalts- und Geldpolitik anders.

Beginnen wir mit dem Wachstum. Für die USA erwarten wir 2025 ein BIP-Wachstum von 2,3%. Hier ist unsere Prognose zuversichtlicher als die Konsensschätzung. Wir sind geneigt zu sagen, dass es auch das Potenzialwachstum – das häufig auf etwa 1,75% geschätzt wird – übertreffen wird, aber die Stabilität der US-Wirtschaft spricht wohl auch für einen Anstieg des Potenzials des Landes.  Erfolgreiche Investitionsentscheidungen von US-Unternehmen vor zehn Jahren, mehr Ausgaben für Software sowie Forschung & Entwicklung könnten die Gründe dafür sein, dass die Produktivität gestiegen ist – auch nach der Pandemie. Die Partizipationsquoten haben sich erholt und sind jetzt so hoch wie zuletzt in den frühen 2010er-Jahren. Dies und die zahlreichen Einwanderer sorgen für ein grosses Arbeitskräfteangebot.

Ganz anders als die wachstumsstarken USA steht China vor Herausforderungen. Das Land befindet sich mitten in einer Immobilienmarktkorrektur. Die Erfahrung mit vielen solchen Situationen weltweit sagt uns, dass Einbrüche von Immobilieninvestitionen Jahre andauern. Angesichts der schwachen Demografie Chinas und weil die Wohnimmobilienqualität dort mittlerweile Industrieländerniveau erreicht hat, sollte man aus unserer Sicht nicht auf eine schnelle Erholung setzen. Auf ihrem Höhepunkt hatten Wohnimmobilieninvestitionen fast 20% Anteil am chinesischen Wachstum. Wenn diese Quelle versiegt, besteht kaum Aussicht darauf, dass China sein diesjähriges offizielles BIP-Wachstumsziel von „etwa“ 5% erreicht. Wir rechnen mit 4,5% im nächsten Jahr. Allgemein ausgedrückt stösst das Land an die Grenzen seines kapitalintensiven Wachstumsmodells. Wenn die Produktivitätsgewinne in die Reallöhne gesteckt und nicht mehr dazu verwendet würden, Gewinne und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, würde allmählich eine konsumgetriebene Wirtschaft entstehen – eine Entwicklung, die inzwischen alle Industrieländer vollzogen haben. Aber derzeit ist noch immer „produktive Qualität“ das Motto der chinesischen Entscheider. Es wird also weiter in exportorientierte Sektoren wie Automobile investiert – obwohl sich weltweit der Protektionismus durchsetzt. Der Abschwung Chinas ist in erster Linie strukturell bedingt, nicht konjunkturgetrieben.

Der Euroraum dürfte 2025 weiter schwach wachsen. Wir rechnen mit 1% und liegen damit unter dem Marktkonsens. Wenn die Löhne weiter stärker steigen als die Inflation, werden die realen Überschüsse in Europa – anders als in den USA – eher gespart als ausgegeben. Das liegt vermutlich an der grundlegenden Unsicherheit. In Frankreich ist es die politische Instabilität. Die Schwäche Deutschlands ist vor allem auf strukturelle Defizite zurückzuführen. Dort ist zwar der Energiepreisschock überwunden, aber die Industrie hat sich noch immer nicht wieder stabilisiert. Hier spielt der Wechsel von Fertigungsstandorten ebenso eine Rolle wie Probleme, sich an neue Nachfragemuster anzupassen, beispielsweise in der Automobilindustrie. Erfolgsgeschichten sind nicht einfach nachzumachen: Spanien entwickelt sich weiter gut, aber dies ist dem deutlichen Anstieg der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte zu verdanken – mit zahlreichen Einwanderern, vor allem aus Lateinamerika. Im gesamten Euroraum stagniert die Produktivität. Zusammen mit dem schwachen Anstieg der Zahl der Arbeitskräfte (ausserhalb Spaniens) und den zurückhaltenden Unternehmensinvestitionen muss die übliche Produktivitätsprognose von etwa 1,2% vermutlich gesenkt werden.


Schlecht verteilte Wachstumsprogramme

Die USA brauchen keine weiteren Wachstumsprogramme. Sie profitieren von ihrer strukturellen Stärke und der soliden Konjunktur.  Der Anstieg der Arbeitslosenquote, die jetzt der Sahm-Regel entspricht, nach der ein Anstieg von mehr als 0,5 Prozentpunkten in den vorhergehenden zwölf Monaten ein verlässlicher Indikator für eine bevorstehende Rezession ist, gibt zweifellos Anlass zur Sorge, aber „dieses Mal könnte es anders sein“.  Tatsächlich steigt die Beschäftigung weiter recht ordentlich, anders als in früheren Situationen, in denen nach der Sahm-Regel eine Rezession folgte.  Der Anstieg der Arbeitslosenquote ist vor allem darauf zurückzuführen, dass mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Dennoch dürfte die Politik Trumps zu einem Anstieg des Haushaltsdefizits um weitere 2% in den nächsten Jahren führen – ausgehend von schon jetzt problematischen 6% des BIP. Einige seiner Massnahmen würden zudem das kurzfristige Wachstum nicht nennenswert beflügeln. Allein die Verlängerung der 2017 eingeführten Steuerkürzungen würde dafür sorgen, dass das Haushaltsdefizit unverändert bleibt. Die Senkung der Körperschaftsteuer von 21% auf 15% hätte kurzfristig vermutlich nur wenige Auswirkungen auf die Unternehmensinvestitionen.  Die generelle Befreiung der Sozialversicherungsleistungen von der Einkommensteuer würde jedoch einigen Haushalten mit hoher Konsumneigung ein Einkommen in Höhe von ca. 0,4 % des BIP verschaffen. Zusammen mit der Deregulierung – vor allem von Energie-Investitionen – könnte dies einen „Wohlfühleffekt“ auslösen, sodass die Aktienkurse und indirekt auch die Konsumausgaben stiegen.

In Europa hingegen wird die Haushaltspolitik restriktiver.  Gemessen an den Haushaltsplänen der drei grössten Volkswirtschaften des Wirtschaftsraumes würden die Staatsausgaben 2025 so stark gesenkt werden wie zuletzt 2012 – um fast 1% des BIP. Das dürfte die Gesamtnachfrage zusätzlich belasten. Zugegebenermassen könnten die politischen Schwierigkeiten in Frankreich dessen Budgetpläne aufweichen, aber aus unserer Sicht hätte jegliche Veränderung in dieser Richtung eine Ausweitung der Spreads zur Folge. Deutschland könnte (und sollte) seinen Haushalt nutzen, um einige seiner strukturellen Probleme anzugehen. Hier scheint sich die Debatte gerade zu verschieben. Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz, der den Umfragen zufolge nach den vorgezogenen Wahlen Ende Februar 2025 der nächste Kanzler sein dürfte, hat seine Offenheit für eine gewisse Reform der Schuldenbremse bekundet.  Diese Offenheit ist allerdings an Bedingungen geknüpft, und die Koalitionsbildung – geschweige denn der Gewinn der Zweidrittelmehrheit im Parlament, die für Verfassungsänderungen notwendig ist – wird nicht einfach werden. Aus unserer Sicht wird die deutsche Haushaltspolitik frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2025 gelockert, wenn überhaupt.

China scheint umfassendere Wachstumsprogramme ins Auge zu fassen, hat aber dafür nicht mehr viel Spielraum, weil sich seine Staatsschulden schon jetzt auf über 100% des BIP belaufen. Massnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität dürfen nicht mit „echten“ Wachstumsinitiativen verwechselt werden. Die von der Regierung im Herbst 2024 erlaubte Emission weiterer Staatsanleihen hat dazu gedient, versteckte Schulden, also die Investitionen in den Immobiliensektor über spezielle Instrumente der Lokalregierungen, zu „offiziellen“ zu machen, dürften aber die regulären Ausgaben nicht steigen lassen. 


Unterschiedliche Geldpolitik

Wie immer wird die Geldpolitik die wichtigste Stellschraube sein, um diese gegenläufigen Kräfte ins Gleichgewicht zu bringen. In den USA dürfte die Rückführung der restriktiven Geldpolitik schon Anfang 2025 vom zunehmenden Inflationsdruck ausgebremst werden – lange bevor die Normalisierung abgeschlossen ist. Wir erwarten 2025 nur eine Zinssenkung der Fed, und zwar, wenn die 4,25% erreicht sind. Neben den üblichen Auswirkungen höherer Staatsausgaben auf die Preise wird die Fed auch die von der neuen Regierung angekündigte Erhöhung der Handelszölle berücksichtigen müssen. Die angekündigte Anti-Immigrations-Kampagne mit geplanten Massenausweisungen ausländischer Arbeitnehmer aus den USA dürfte zudem den Lohndruck wieder erhöhen. Wir gehen zwar nicht davon aus, dass die Handelszölle oder die Eindämmung der Immigration so radikal sein werden wie während der Wahlkampagne angekündigt, aber selbst moderate Versionen der Massnahmen würden vermutlich verhindern, dass sich die Inflation weiter auf das von der Zentralbank angestrebte Ziel zubewegt, zumal nach wie vor endogene Risiken lauern. Beispielsweise haben sich die Dienstleistungspreise noch immer nicht normalisiert.

Zugleich glauben wir, dass die EZB ihre Geldpolitik angesichts der schwachen Wirtschaftslage – die durch die Auswirkungen der US-Zölle auf die europäischen Exporte noch verschärft wird – vor dem Hintergrund einer restriktiven Haushaltspolitik entschlossener klar expansiv gestalten muss. Wir gehen davon aus, dass der Einlagensatz im Euroraum am Ende bei 1,5% und damit um 50 Basispunkte unter dem Niveau liegen wird, das nach den Konsensschätzungen als neutral gilt. Wenn sich die Politik in den USA und in Europa noch weiter auseinanderentwickelt, würde der Euro weiter in Richtung Parität abwerten, was einen Teil der Auswirkungen der US-Zölle abfedern würde.

Obgleich es klare Belege dafür gibt, dass in China die Deflation das grösste Risiko ist, scheut die People’s Bank of China häufig radikale Entscheidungen. Der Rückgang der Zinsmarge der chinesischen Banken bei einer Lockerung der Geldpolitik bereitet der Zentralbank Kopfzerbrechen, weil er einen Anstieg des Gewinnpuffers verhindert, der benötigt wird, um die steigende Zahl der notleidenden Kredite zu verkraften. Eine natürliche Lösung wäre, eine deutliche Abwertung des Renminbi zuzulassen.  Zwar würde eine zum Ausgleich von US-Zöllen in Höhe von 60% notwendige Abwertung vermutlich die finanzielle Stabilität des Landes gefährden, aber wenn die Währung gegenüber dem Euro und anderen wichtigen Währungen (ausser dem US-Dollar) sinken darf, könnten chinesische Exporteure vielleicht ihre verlorenen US-Marktanteile durch neue in anderen Ländern ersetzen.


Wie viel ist zu viel?

Eine wichtige Unbekannte in unserem Szenario ist das Ausmass, in dem Donald Trump seine fiskal- und handelspolitischen Ankündigungen wirklich umsetzt. Die Nominierung des als Pragmatiker geltenden Scott Bessent als Finanzminister und die Ernennung des moderaten Republikaners John Thune zum Mehrheitsführer könnten Hinweise darauf sein, dass alles nicht so schlimm wird, wie während der Wahlkampagne angekündigt.

Aber auch bei einer „moderaten Version“ erwarten wir für das Jahr 2026 einen Rückgang des US-Wachstums auf 1,5% und damit unter das Potenzialwachstum: Ein geringeres Arbeitskräfteangebot und eine restriktive Geldpolitik wären vermutlich zu viel für die Wirtschaft, vor allem, weil wir von insgesamt strafferen Finanzbedingungen ausgehen, da der Anleihenmarkt negativ auf höhere Staatsausgaben reagieren würde. Sobald der Abschwung einsetzt, müsste die Fed ihre Leitzinsen wieder senken. Davon würden die Emerging Markets profitieren – allerdings erst nach einem schwierigen Jahr 2025, das von der schwächeren Nachfrage aus China und enttäuschenden Kapitalzuflüssen geprägt sein wird.

Am Ende kommt es natürlich auf die Wirtschaftspolitik anderer Länder (ausserhalb der USA) an. Sie müssen eine Strategie entwickeln, um die Regierungszeit Trumps zu „überleben“. Ein Handelskrieg ist in niemandes Interesse, vor allem nicht für Regionen wie Europa und China, die exportabhängiger sind als die USA. Strategien, die für einen Anstieg des Potenzialwachstums sorgen, wären ein besserer Ansatz. Eine weitere Unsicherheitsquelle ist die Wechselwirkung zwischen der US-Konjunkturentwicklung und weltpolitischen Risiken.  Die steigende Energieunabhängigkeit der USA macht es für Washington immer verlockender, eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu tolerieren. Und Peking könnte mit noch mehr Härte gegen Taiwan auf die Zölle reagieren.

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